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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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bloß so... weil Sie selber... auf der Schulter...«
    Der Wölfische faßte hin, sah sich dann seinen Finger an, roch an ihm, nahm sein Taschentuch aus der Brusttasche, wischte ihn ab, zog eine Zeitung vor und blieb dahinter verschwunden. Ich fürchtete ständig, er würde der Dicken etwas wegen ihres Hutes sagen, er tat es aber nicht.
    »Sperr ihn wieder ein!« zischte mir die Mama aus dem Mundwinkel zu.
    »Bloß wegen dem blöden Kerl?« flüsterte ich zurück.
    Sie hielt mir entsetzt den Mund zu. »Wenn du ihn jetzt nicht sofort einsperrst...«
    Ich hatte sie selten so wütend gesehen. Aber ich kämpfte ja schließlich für meinen Jakob, nicht wahr? So holte ich das Bauer unter meinem Sitz hervor, nahm es in die eine Hand, preßte Jakob, der beim Anblick des Marterinstruments in das Innerste meiner Jacke kroch, mit der anderen Hand an mich:
    »Ich geh erst mal auf die Toilette. Ängstige dich nicht, es dauert ‘ne Weile!« Und ‘raus war ich, ehe sie etwas sagen konnte.
    Im Gang standen eine Menge Leute, die aus den Fenstern sahen. Auch Koffer standen herum, und die Bewegung des rasch fahrenden Zuges schleuderte mich hin und her, weil ich mich mit vollen Händen ja nicht festhalten konnte. Außerdem schienen sich alle Leute verabredet zu haben, gleichzeitig auf die Toilette zu gehen. Ich wankte durch den Zug, hin und zurück. Entweder war überall besetzt, oder es ging gerade einer ‘rauf.
    Endlich beschloß ich zu warten, und zwar zweiter Klasse, weil dort weniger Leute waren. Ich stellte den Käfig neben mich und sprach Jakob tröstend zu: »Du kommst nich in den ollen Kasten. Wir riegeln uns ein und spielen.« Daraufhin begann er sich aus meiner Jacke herauszuwinden.
    Neben mir stand ein älterer Junge mit Pickeln im Gesicht. Er hatte bisher ab und zu aus dem halb heruntergelassenen Fenster gespuckt. Nun drehte er sich, als ich ihm erstaunt zusah, um.
    »Willste auch mal spuck’n? Ich heb dich hoch!«
    »Danke, nein. Warum spuckste denn?«
    »Vielleicht fliegt’s in ‘n andres Fenster wieder ‘rein, und dann wissen se nich, wo’s herkommt. Schick, was?«
    »Finde ich nich!« erklärte ich. Ein widerlicher Kerl!
    Jetzt sah er Jakobs Kopf: »Mensch... was hast ‘n da? ‘ne Krähe?«
    »Eine Dohle!«
    »Au... gib mal her, die schmeiß’n wir aus ‘m Fenster!«
    Ich kroch gegen die Wand. In diesem Augenblick wurde die Toilette frei. Ein Weib natürlich! Sie rauschte an uns vorüber wie eine Königin, und hinter ihr roch es nach Parfüm. Ich schnell hinein. Hebel ‘runter. Endlich!
    Ich klappte den Deckel herunter und setzte mich zunächst mal auf den geschlossenen Thron, nahm Jakob heraus und seufzte tief erleichtert. Das kleine Kabinett enthielt außer dem Thron eine Waschschüssel und darüber ein Schränkchen. Darin gab es kleine, frisch gewaschene Handtücher mit kleinen grünen und roten Seifenstückchen. Sie kosteten nichts, und man konnte ein ganzes Dutzend davon nehmen, ohne daß einem einer was sagte. Opapa brachte auch solche Seifenstückchen von den Dienstreisen mit. Die bekam dann Valeska in die Küche.
    Ich betrachtete mein kleines Reich voller Zärtlichkeit. Jakob schien weniger damit einverstanden, vielleicht weil man hier aus irgendwelchen Gründen das Schwingen und Stampfen des Zuges und das Rollen und Rattern der Räder besonders stark empfand. Er saß dünn und mit halb gelüfteten Flügeln auf meinem Knie und machte den Eindruck, als wolle er jeden Augenblick gegen die Decke steigen.
    Rattata-Rattata — machte der Zug. Jemand drückte von außen die Klinke nieder, murmelte etwas Ärgerliches und ging wieder weg. Ich sah mich ratlos um. Neben mir war ein Schild: Die Toilette darf nicht benutzt werden, solange der Zug hält. Und darunter die Rolle mit dem Papier. Das war was für Jakob! Ich rollte einen guten Meter ab und rollte ihn wieder auf. Nachdem ich es dreimal getan, wurde er aufmerksam, legte die Flügel an, hupfte auf mein anderes Knie und begann an dem Papier zu ziehen. Er riß ein Blatt ab und zerrupfte es. Dann holte er sich das nächste. Ich riskierte es, ihn vom Knie herunter- und auf den Thron zu setzen. Dort konnte er allein weitermachen. Er tat es und arbeitete wie im Akkord. Na, also!
    Ich stand auf, pfiff und sah mich besitzerisch um. Jemand rüttelte an der Tür. Sollte er!
    Aus lauter Langeweile kam ich schließlich sogar darauf, die Hände zu waschen. Es gab dazu fließendes warmes Wasser, für mich von besonderer Qualität, da es, wie ich annahm, aus der

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