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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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langen weißen Handschuh. Das alles hielt eine Schleppe. Ein Stück von der Schleppe sahen wir auch noch. Es war mausgrau.
    An dieser Veranstaltung wäre nun nichts Aufregendes gewesen, und Opapa hätte mich wahrscheinlich — nachdem er sich umgesehen, ob wir auch allein wären — wie sonst mit einem Augenzwinkern angestoßen und gefragt: »Sind die Weiber nicht verrückt?« In diesem Falle jedoch blieb ihm die Bemerkung im Halse stecken, denn zwischen den Veilchen und den toten Vögeln lag die Zigarre, und eine unverkennbare Rauchspirale hob sich von ihr in die Luft. Es war aber nicht die übliche blaue Spirale sanft verbrennenden Tabaks, sondern eine schwärzlich graue Sache, die einen sengerischen Geruch bis in unsere vor Entsetzen geweiteten Nasenlöcher trug.
    Jetzt trat unten die Dame ein paar Schritte zurück, um aus größerer Entfernung die übrigen Schaufenster überblicken zu können. Wir sahen auf diese Weise auch einen Teil ihres Bauches mit einem Lorgnon, das an einer langen Kette davor baumelte. Jetzt kam die andere Handschuhhand und hob das Lorgnon unter den Hut vor die Augen. Opapa und ich starrten uns einen Augenblick in die bleichen Gesichter und blickten dann wieder wie hypnotisiert hinunter.
    »Kennste se?« fragte ich.
    »Nein, du?«
    »Auch nich.«
    In diesem Augenblick flatterte Jakob, der sich wieder erholt hatte, auf das Geländer und verkündete seine Wiederkehr mit einem fröhlichen »Armleuchter!«
    »Deckung!« zischte ich, packte Jakob, feuerte ihn durch die offene Tür ins Eßzimmer und duckte mich hinter der Balkonbrüstung. Auch Opapa ging erstaunlich schnell in die Knie, denn die Dame hatte auf Jakobs Bemerkung hin für einen Moment nach oben geschaut. Gott sei Dank widmete sie sich dann wieder dem anderen Schaufenster, und wir hängten unsere Nasen vorsichtig wieder über das Geländer.
    »Du... die dampft ganz schön!« sagte ich anerkennend.
    Opapas Gesicht zeigte einen nachdenklich-verwirrten Ausdruck: »Um diesen albernen Deckel, den sie da herumschleppt, wäre es ja nicht schade«, flüsterte er, »aber...«
    »Was macht ihr denn da?« ertönte in diesem Augenblick Omamas Stimme. Sie wollte aus dem Eßzimmer den Balkon betreten, wurde aber von uns mit wilden Gesten zum Halten gebracht. Dann krochen wir auf allen vieren auf sie zu und ins Zimmer. Sie starrte uns entgeistert an, wandte sich dann um:
    »Trudchen, komm doch mal her, die beiden sind total übergeschnappt!«
    In ihrer (leichten) Schwerhörigkeit sprach sie gewaltig laut. Es klang für uns wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Opapa, in der Deckung des Zimmers angelangt, richtete sich ächzend auf und beschwor sie zu schweigen, indem er die Backen aufblies und den Finger auf den Mund legte.
    Inzwischen war auch die Mama hinzugeeilt, in vorsichtigem Abstand gefolgt von Jakob, der sich nach der rauhen Abservierung damit begnügte, auf dem Teppich zu bleiben und dort einen Klecks hinzulegen.
    Den beiden Frauen wurde inzwischen von Opapa der Situationsbericht gegeben. »Vor allem jetzt volle Deckung!« schloß er seine strategischen Anweisungen. »Wenn ihr sie sehen wollt — hier, vom Fenster aus geht’s gerade noch.«
    Omama schob die Gardine zur Seite, die Mama sah ihr über die Schulter, und ich kletterte auf die Fensterbank und quetschte mich zwischen beiden durch. Wenn man sich die Nase plattdrückte und die Augen so weit nach rechts drehte, daß sie einem weh taten, konnte man gerade noch den Hut sehen.
    »Um Gottes willen...«, flüsterte die Mama.
    »Wir müssen die arme Frau warnen, sie brennt!« meinte die Omama.
    »Wie ‘n Schleppdampfer auf der Spree!« fand ich und bekam prompt von der Mama eins hinter die Ohren.
    »Schlage das Kind nicht, Trudchen«, meinte die Omama, »es gebraucht nur Vergleiche, und wenn sie nicht passend sind, muß man sie ihm erklären. In Güte, Trudchen, nur in Güte!«
    Sie trat ins Zimmer zurück, maß ihren Gatten von oben bis unten: »Was soll nun werden, Max? Du mußt hinuntergehen und es ihr sagen!«
    Opapa kratzte sich nachdenklich die Bartstoppeln: »Was meinst du, kostet der Hut?«
    »Na, mindestens vierzig Mark!« meinte die Mama.
    »Den bekommst du nicht unter fünfzig!« korrigierte Omama.
    »An sich brennt er ja nicht direkt«, stellte Opapa fest, »er kohlt nur, es kann ‘ne ganze Weile dauern, bis es durch die Frisur durchkommt...«
    »Max!« sagte Omama empört.
    »Du... Opapa...«, flüsterte ich, »kann man an der Zigarre sehn, daß es deine Zigarre

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