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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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oben irgendwo im Blau kreiste. Sehnte er sich nach Freiheit? Es schien nicht so, denn gleich darauf sah er mich wieder so richtig nett an und sagte beiläufig: »Tschack-tschack — laß dich nicht aufhalten, ich habe zu tun!«

    Einmal, als ich wieder auf der Kommandobrücke stand und wir gerade die spanische Silberflotte unter der Bewachung von dreihundertkanonigen Linienschiffen gesichtet hatten, bemerkte ich folgendes:
    Vor dem Garten, in dem Jakob >weidete<, waren sich zwei Hunde begegnet, ein Dackel und ein glatthaariger Terrier. Offensichtlich waren sie sich wenig sympathisch, sie standen sich Schnauze an Schnauze gegenüber, die Oberlippen über den Zähnen gerafft, und zwischen beiden wanderte ein Knurren hin und her, das wohl über kurz oder lang in eine solenne Beißerei übergegangen wäre.
    Jakob, der gerade wie ein Huhn die ersten trockenen Herbstblätter beiseite gescharrt hatte, wurde aufmerksam, sprang auf die Kachelsteine und beobachtete die Situation zunächst durch die Gitterstäbe. Zwischendurch blickte er zu mir herüber: »Siehst du die blöden Kerle da?« Dann flatterte er auf das Gitter, ohne daß ihn die verbiesterten Feinde bemerkt hätten, und besah sich die Lage von oben aus. Schließlich, ehe ich es verhindern konnte, sprang er hinter dem Dackel auf die Erde, sah sich einen Moment sachverständig den waagerecht weggestreckten Dackelschwanz an und kniff dann nach Herzenslust hinein, in das äußerste Ende, wo es am wehesten tut. Heulend entschwand der so unvermutet und hinterrücks Attackierte, das gekniffene Angriffsziel zwischen die Beine geklemmt.
    Der Terrier blieb mit steifen Ohren verdutzt auf der Szene. Sein Gegner hatte sich unbegreiflich verwandelt: statt des Dackels saß da plötzlich ein kohlschwarzes Federvieh, das ihn aus hellgrauen Augen boshaft anfunkelte. Jakob besah ihn sich abschätzend und die Überraschung des anderen offenbar genießend. Dann holte er weit und mit aller Kraft aus, zu der Sorte von Hieb, die eine Nuß spaltete, und haute ihm den Schnabel genau auf die Nase. Der Terrier schrie auf und entstob in sinnloser Flucht. »Schulmeister!« schrie Jakob triumphierend hinter ihm her. Dann wurde er von mir ergriffen und in Sicherheit gebracht.
    Um seine Streiche einigermaßen in Grenzen zu halten, hatte ich zwei Formen der Zurechtweisung entwickelt. Die eine war rein moralischer Art. Wenn ich ihn anschrie: »Büßen!« sträubte er das Gefieder, senkte den Schnabel auf die Brust und verharrte reumütig in dieser Stellung, mit den Augen vorsichtig zu mir heraufschielend, bis ich sagte: »Na, ist ja gut!«
    In schwereren Fällen packte ich ihn, stellte ihn köpf und haute ihm mit einem kleinen Stückchen, das ich mir geschnitzt hatte, den Popo voll. Er schrie entsetzlich, bestimmt nicht aus Schmerz, denn die Federn fingen die Streiche des winzigen Stückchens sicher ab, als vielmehr aus Wut über die Entwürdigung, die diese Zurechtweisung für einen erwachsenen Vogel darstellte, der schon längst keinen gelben Rand mehr um den Schnabel hatte und einen völlig ausgewachsenen Schwanz besaß.

    Am Nachmittag baute ich gewöhnlich in der Bibliothek meine Soldaten auf. Dafür besaß ich, genau wie Opapa, eine große Holzplatte, die über mehrere Stühle gelegt wurde. Zunächst wurde eine Landschaft darauf entworfen. Zu diesem Zweck legte ich Papptafeln auf, die in ihrer Zusammensetzung Flüsse, Wege und Wiesen ergaben, darauf kamen Höhenzüge aus Pappmache, Bäume, Häuser, Brücken, und dann ließ ich darin meine Heere aufmarschieren, meine Batterien auffahren oder auch meine gepanzerten Ritter oder Indianerstämme manövrieren.
    In der anderen Ecke der Bibliothek war Opapa mit der gleichen Tätigkeit beschäftigt, falls ihn die Geschäfte nicht fernhielten. Im Gegensatz zu meiner frei schweifenden Phantasie ging es bei ihm streng wissenschaftlich-historisch her. So baute er beispielsweise mit einem dickleibigen Wälzer auf den Knien die Schlacht von Austerlitz nach. Wenn der Aufbau vollendet war und sich die tiefgegliederten Bataillone gegenüberstanden, während hinter ihnen auf den Feldherrnhügeln die Generäle auf springenden Rossen und mit Federhüten paradierten, steckte er sich eine Pfeife oder Zigarre an und blies — wie ich schon schilderte — die Rauchschwaden zwischen die Zinnfiguren, so daß man sich tatsächlich in den Pulverdampf der großen Schlacht hineinträumen konnte.
    Es herrschte eine feierliche Stille im Raum, nur ab und zu hörten wir

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