Gute Nacht Jakob
tipp-tipp-tipp Jakobs kleine Krallenfüßchen, wenn sie über das Parkett wanderten. Dann kamen wir gegenseitig auf Besuch. Opapa kritisierte meinen Aufmarsch, und dann gingen wir zu ihm hinüber, und er erklärte mir die Situation seiner Schlacht. Wenn ich mich ganz sicher glaubte, daß uns niemand von dem Weibervolk überraschen würde, kletterte ich ihm auch manchmal noch auf sein Knie und lehnte mein Gesicht an seine Bartstoppeln. Die Stille wurde dann noch tiefer. Schweigend standen die beiden Ritterrüstungen in den Ecken.
Von diesen Inseln der Andacht wurde selbst Jakob ferngehalten, obwohl es ganz offenbar einer seiner Herzenswünsche war, an der Schlacht von Austerlitz auf seine Weise mitzuwirken. An einem dieser Tage war er besonders unternehmungslustig. Schon zweimal war es ihm gelungen, auf meine Platte heraufzuflattern, er war aber genauso schnell wieder heruntergeflogen, das zweitemal mit einem gestohlenen Baum im Schnabel, der ihm jedoch wieder abgejagt wurde. Dann hatte er unser stilles Beieinander von der gepanzerten Faust des einen Ritters aus beobachtet. Ganz offenbar war er auf unser trauliches Tête-à-tête eifersüchtig und tief beleidigt, daß man sich so wenig um ihn kümmerte. Er hatte sich schon mehrfach am Kopf gekratzt, ostentativ gegähnt und schließlich unter gewaltigem Rülpsen und Augenverdrehen einige jener scheußlichen Gewöllewürste aus seinem Schlund zutage gefördert, die in memoriam die unverdauten Reste seiner Mahlzeiten und einiges angesammelte Diebesgut enthielten. Er legte sie neben sich auf den Panzerhandschuh, besah sie mit schiefem Kopf, schüttelte sich, rückte angewidert davon ab und flatterte dann ein Stück höher auf die Schulter des Gewappneten. Er erreichte damit seinen Zweck, denn wir unterbrachen unsere militärische Andacht und begannen, ihn zu beobachten. Von der Schulter aus unternahm er, auf dem glatten Eisen mit seinen Krallen immer wieder ausrutschend, eine komplizierte Gebirgstour an das aufgeklappte Visier. Endlich hatte er es geschafft, faltete die Flügel wieder zusammen, kratzte sich abermals hinter dem Ohr und sagte ein dumpf widerhallendes »Jakob!« in den hohlen Ritterkopf. Das Echo erschreckte ihn einen Moment, er machte den Hals dünn und sah sich nach mir um, ob ich für den Notfall auch zur Stelle sei. Dann starrte er wieder in die dunkle Tiefe, führte einige gelangweilte Schnabelhiebe gegen das über ihm hängende Visier, wackelte von einem Fuß auf den anderen und sprang schließlich in den Ritterkopf hinein.
In diesem Augenblick passierte es. Das durch die Schnabelhiebe gelockerte Visier klappte schnarrend zu. Im Innern war es für einen Augenblick still, und dann begann ein fürchterliches Getobe, Gekrächze, Flügelschlagen, der Ritter wackelte mit dem Kopf, und wir, die wir mit offenem Mund hinter der Schlacht von Austerlitz saßen, sahen, wie sich schließlich der ganze Helm neigte, herunterfiel und mit mächtigem Plauz und Getöse vor unsere Füße rollte. Ich sprang so hastig auf, daß ein österreichisches Bataillon in sich zusammenfiel, und riß das Visier hoch, dem mit schrillem Angstschrei ein sehr dünner und gerupfter Jakob entflog. Ein paar abgebrochene Schwungfedern ragten aus seinem Körper, als hätten ihn Indianer mit Pfeilen gespickt. Omama, die Mama und Valeska kamen aus der Küche gesaust, Jakob schoß zwischen ihren Füßen hindurch, und wir beiden bezogen aufs Geratewohl zunächst eine Gardinenpredigt der Omama darüber, daß wir nicht aufgepaßt hätten (worauf?). »Ihr habt doch nun wirklich nichts weiter zu tun!«
»Aber, Paulchen...«, sagte Opapa, und dann verstummte er und sah auf den heruntergefallenen Helm, aus dem ein ganzes Sammelsurium von Gegenständen gekollert war. Da gab es einen Krönungstaler aus seiner Münzsammlung, ein halbes Dutzend papierne Zigarrenspitzen mit den Aufschriften verschiedener Hotels, einen von mir seit langem vermißten Indianerhäuptling, eine ganze Kollektion von Druckknöpfen, Zahnpastenverschlüssen, eine Augenbrauenbürste der Omama, abgerissene Teppichquasten und etwas golden Schimmerndes — Omamas Busennadel mit der kleinen Perle, die sie seit zwei Wochen vermißte und auf einer Gesellschaft verloren zu haben glaubte. Opapa hob sie auf und überreichte sie seiner Frau in gekränktem Schweigen.
»Danke dir, Mäxchen!« sagte sie versöhnt und tätschelte ihm die Wange. »Und wieder so schlecht rasiert!« fügte sie umgehend mit ihrer tiefen Stimme hinzu. Dann wandte
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