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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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nähme. Da habe ich — nam-nam-nam — gesagt: >Werkenthau<, habe ich gesagt, >Sie haben doch die Gutachten gelesen, daß diese Ausführung B Mist ist!<« (Eine Gabel Kotelett, ein Löffel Meerrettich — nam-nam-nam —)
    »Na, und... was hat er da gesagt?« fragte Omama und schob die Mixed pickles in Schußweite.
    »Ja, stell dir vor, er sagt...: >Die Kerls sollen sich eben mehr vorsehen<.«
    Opapa nahm einen Löffel Mixed pickles, während seine Augen blitzten und die Pickles unter seinem Schnurrbart voller Zorn zerquetscht wurden:
    »>Werkenthau<, habe ich gesagt, >diese Kerls sind Menschen wie Sie und ich. Es ist schließlich nur ein Zufall, daß wir auf Grund unserer besseren Erziehung auf diesen Stühlen sitzen und diese Männer zehn Stunden an den Maschinen stehen. Möchten Sie mit einer halben Hand nach Hause kommen?<«
    »Das Ei wird kalt!« sagte Omama und schob es ihm in Gabelweite. Er schwang es mit einem Ruck in den Mund: » >Verehrtester<, hat er gesagt, >waren Sie vielleicht kürzlich in einer sozialdemokratischen Versammlung? Es klingt fast so. Glauben Sie doch nicht, daß man den Arbeitern mit Güte und Verständnis imponieren kann. Das Pack greift sofort nach!< — >Pack< hat er gesagt!
    >Herr Werkenthauh (nam-nam-nam) habe ich gesagt — absichtlich: Herr! — >Wir werden auf die Dauer entweder den Arbeitern bürgerliche Lebensbedingungen verschaffen oder alle in einer furchtbaren Revolution zugrunde gehen!<«
    Omama räusperte sich gewaltig: »War das nicht unvorsichtig von dir? Er schiebt’s aufs Politische. Du siehst, wie gefährlich der Mann ist!«
    Eine wohlausbalancierte Gabel Kotelett mit Quetschkartoffeln, Soße und Meerrettich erstarrte auf halbem Wege in der Luft. In Opapas Augen zeigten sich die roten Zornesadern: »Es ist meine Überzeugung!« Er sah majestätisch aus!
    Omama seufzte: »Na, und was sagte Busch?«
    Das Kotelett fuhr mit Verspätung in den Mund ein: »Busch — nam-nam-nam — pflaumenweich wie immer: >Aber, meine Herren! Ich muß allerdings sagen, daß ich Werkenthau in der psychologischen Beurteilung der Arbeiterschaft zumindest verstehen kann. Andererseits bin ich doch für die Ausführung A. Wir dürfen uns nicht Risiken oder Vorwürfen aussetzen. Diese Menschen kriegen es fertig und bringen uns in die Presse, wenn etwas passierte«
    »Also hat er dir doch de facto recht gegeben!« meinte die Omama.
    Er lehnte sich seufzend zurück, holte etwas mit der Zunge aus dem Backenzahn, wischte sich dann den Mund, faltete umständlich die Serviette zusammen und griff nach dem Serviettenring, den Jakob gerade auf ihn zurollte. Im Moment, als Opapa zupacken wollte, nahm er ihn jedoch auf der schmalen Seite in den Schnabel, zerrte ihn mit großer Kraftanstrengung seitwärts weg und warf ihn vom Tisch. Er rollte unter das Sofa. Ich hinterher.
    »Er wird mir das nicht verzeihen!« sagte Opapa, räusperte sich sorgenvoll und sah auf die Uhr.
    »Wir werden ihn zur Großen Gesellschaft einladen«, erklärte Omama plötzlich entschlossen.
    »Meinst du, das ist richtig, Paulchen?« fragte er. »Legt man dem Mann damit nicht zuviel Gewicht bei?«
    »Du kannst ihm nicht genug Gewicht beilegen. Er wird sich geschmeichelt fühlen, und wenn er sieht, wer wir sind, wird er vorsichtig sein. Was meinst du, Trudchen?«
    Die Mama, die ein paar alte Ringkrüge abgestaubt hatte, stellte sie seufzend auf das Bord über dem Sofa zurück: »Ich fürchte, es macht ihn nur neidisch!«
    »Ach, du fürchtest immer«, sagte die Omama ärgerlich. »Wir werden ihn neben Poldi setzen!« verkündete sie dann.
    Ich richtete mich mit dem wiedergefundenen Serviettenring in der Hand auf: »Onkel Poldi?« schrie ich.
    Omama streichelte mir den Kopf: »Ja, Onkel Poldi, Onkel Gustl und Onkel Ferdl kommen. Alle drei Brüder!«
    Ich war überwältigt: das ganze österreichische Trio rückte also zur Großen Gesellschaft an!
    Onkel Gustl war — wie schon erwähnt — Oberförster, der Mann von Tante Jenny und wohnte auf einem großen Schloß in Böhmen, wo ich schon mehrmals die Ferien verbracht hatte. Er hatte runde, braune, lustige Augen und sehr viele Haare auf der Brust, mit denen er im Sommer die Damen erschreckte, wenn er das Hemd aufmachte. Jedenfalls taten sie so, als ob es sie erschreckte.
    Onkel Ferdl war Rittmeister bei den Windischgrätz-Dragonern, ein fescher Kerl, der viel lachte, alle Frauen und Mädchen unserer Verwandtschaft, auch die Mama, auf den Mund küßte und auf den Popo klopfte und die

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