Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
anderen Hand hing ich. Der Posten blinzelte die verbündete Uniform an. Dann erkannte er wohl die Generalsabzeichen und schrie:
    »Wache — ‘raus!«
    Die Wache stürzte ans Gewehr. Die Spaziergänger blieben stehen, Onkel Poldi grüßte sehr höflich, Opapa tippte an seinen Strohhut, und ich zerplatzte einfach in Hochgefühl und bemühte mich, gelangweilt geradeaus zu sehen, als ob wir jeden Morgen durch repräsentierende Wachen schritten.
    »Der alte Herr — jemand vom Hof!« hörte ich es flüstern, als wir auf Wolken durch die Menge schwebten.
    »Nein...«, sagte eine andere Stimme, »es ist der österreichische Botschafter...«
    Bei Kranzler saßen wir oben auf dem Balkon und aßen Torte und Schlagsahne. Die Herren tranken Mokka und Schnäpse und rauchten von Onkel Poldis schweren Virginiazigarren, aus denen sie vorher die Strohhalme herauszogen. Ich bekam eine Tasse Schokolade. Die Damen ringsum tuschelten, und die Herren warfen böse Blicke auf Onkel Poldi, weil ihre Damen das Gefieder spreizten wie die Hühner. Dann stritten sich Opapa und Onkel Poldi, wer zahlte, und dann gingen wir. Onkel Poldi wollte sich die Läden in der Friedrichstraße ansehen, aber Opapa hatte plötzlich seine Meinung geändert und erklärte großmütig, Poldi habe sich doch die Reiterinnen im Tiergarten ansehen wollen. Das bedeutete, daß wir noch einmal an der Wache vorbei mußten. Onkel Poldi seufzte, aber er gehorchte. Ich hätte Opapa um den Hals fallen können.
    Wir jagten noch einmal die Wache heraus.
    »Schludrig«, sagte Opapa, als wir vorbei waren. »Schludrig, die Griffe! Hast du gesehen, der dritte von rechts, klappte nach! Kein Zug mehr in der Bande!«
    Onkel Poldi lachte: »Da solltest du erst mal unsere sehen! Dagegen kommt ihr mir immer vor wie aufgezogene Uhrwerke!«
    Es war unbeschreiblich schön. Fast so schön wie der Moment, in dem ich Jakob bekam.

    Und dann am nächsten Tag wurde es Ernst mit der Großen Gesellschaft.
    Am aufregendsten für mich und alle die anderen war, daß aus Anlaß dieser Gesellschaft unsere auf eiserne Sparsamkeit abgestimmte Lebensführung von Omama, dem Finanzdiktator, bewußt über Bord geworfen wurde.
    Bei Kempinski in der Leipziger Straße wurde das Essen bestellt. Ein Extralieferwagen brachte es, und zwei junge Männer in Kempinski-Uniform trugen es herauf, während aus den Ladentüren und Fenstern der Nachbarschaft neugierige Blicke diesen phänomenalen Vorgang verfolgten. Da gab es Kaviar im Eisblock, knallrote Hummer mit riesigen Scheren, Hühnerfrikassee, in der Kochkiste vorgekocht, Zander, Schildkrötensuppe, dazu Torten in neckischer Verpackung, Eisbomben, Waffeln und ein Dutzend verschiedener Kekse.
    Jakob wurde eingesperrt, während man all diese Herrlichkeiten in der Küche ausbreitete und die Mama nach einer Liste verglich. Er beobachtete die Vorgänge mit glühendem Interesse und hätte nur zu gern auf seine Weise daran mitgewirkt. Aber man hatte die Käfigtür mit einer Schnur festgemacht. Er sprang von der einen Stange auf die andere, dann auf den Boden. Er rüttelte an der Tür und schimpfte ingrimmig vor sich hin. Seine Feuergeschwindigkeit steigerte sich vor Aufregung bis auf einen Klecks alle fünf Minuten. Dann wurde er ruhig, besah sich die Schnur und begann, sie mit systematischen, wohlüberlegten Schnabelhieben zu bearbeiten.
    Inzwischen kamen die Weine. Die beiden jungen Kempinskianer trugen die leichten, spritzigen Mosel in Kisten auf der Schulter und setzten sie mit Schwung auf den Boden. Dabei fragten sie Valeska, wann sie den nächsten Ausgang habe. Sie erklärte schnippisch, daß sie verlobt sei, und ich fügte hinzu, daß ihr Bräutigam eine Hand so groß wie eine kleine Bratpfanne habe, kaum durch die Tür gehe vor lauter Größe und im Privatberuf Bechsteinflügel auf der Schulter herumtrüge. In diesem Moment schrie Valeska auf: »Jesses... der Vogel!«
    Jakob hatte in aller Stille seine Tür aufgebrochen und war mit einem Hupf auf dem Küchentisch. Dort begann er zunächst die Überarbeitung eines Haufens von Schokoladentüten mit Schlagsahnefüllung. Er steckte gerade den Kopf in die erste Tüte und zog ihn völlig eingeseift wieder heraus, wobei er die Sahne mit hochgerecktem Kopf und wollüstig geschlossenen Augen auf der Zunge zergehen ließ. Er sah aus wie Opapa beim Rasieren, bevor er das Messer ansetzte.
    »Wirst du wohl!« fauchte Valeska.
    Jakob machte einen erschrockenen Hupfer und landete mit seinen beiden durchaus nicht sauberen Füßen

Weitere Kostenlose Bücher