Gute Nacht Jakob
Männer anpumpte. Es wurde am Abend ausführlich erörtert, wie Opapa den dragonerischen Pumpversuchen entgehen könne, ohne unsere Wohlhabenheit in Frage zu stellen.
»Er wird wieder die Trudi ausführen und sich das Geld dazu von dir leihen!« sagte Omama düster.
Opapa sog unruhig an seiner Pfeife und warf gequälte Blicke gegen den Italienerschrank, in dem er seine Spargelder aufbewahrte.
»Ich werde sagen, ich fühle mich nicht wohl«, schlug die Mama vor.
Omama warf ihr einen kurzen Blick zu: »Unsinn, du kannst ein bißchen Ausgehen mit jungen Leuten gut vertragen!« Sie seufzte: »Kostet es schon so viel, kann es ruhig noch ein bißchen mehr kosten. Also, Max, zwanzig Mark — aber nicht mehr!«
»Das ist mit Sekt und Hummer!« sagte Opapa zu Mama. »Achte darauf, daß er es auch wirklich ausgibt!«
Sie seufze: »Das vorigemal mußte ich das Taxi zurück bezahlen, er hatte schon wieder nichts. Und er hat sich mit drei Frauen verabredet, während er mit mir zu Abend aß. Immer ‘rausgegangen und Zettelchen durch den Ober. Die Weiber waren wie verrückt hinter ihm her...«
Opapa machte einen kurzen, glucksenden Laut durch die Nase: »Gustl hat mir erzählt, daß er schon wieder zwei Alimentenklagen am Halse hat.«
»Opapa, was sind Alimente?« fragte ich.
Alle fuhren überrascht zu mir herum. Omama rollte die Augen zu Opapa, der sich gewaltig räusperte: »Alimente... äh... das ist dasselbe wie Remonten... das sind Pferde, die für die Kavallerie gekauft werden.«
»Und er hat sie nicht bezahlt?«
»Er wird schon!« sagte die Omama. »Und jetzt geh spielen.
»Sind das feine Alimente?« fragte ich.
»Remonten, du hörst doch — Remonten«, sagte die Mama.
»Ich habe sie nicht zugeritten!« erklärte Opapa und ging prustend ins Arbeitszimmer.
»Max! Benimm dich!« verkündete Omama streng.
Der älteste Bruder — Onkel Poldi — war zugleich der Clou des Trios, k. und k. General und Kommandeur einer Kavalleriedivision; nicht sehr groß, aber breitschultrig und mit schmaler Taille, braungebrannt, mit blitzenden Zähnen und kohlschwarzen Augen. Das letztemal war er erschienen mit Lackstiefeln, klirrenden Sporen, Schnüren, Orden und sehr viel Gold auf den Schultern. Seine Brüder nannten ihn, um seinen Glanz einigermaßen zu dämpfen, den >Lederäppel< (wegen seines braunen Gesichts) und erzählten, daß er sich noch mit elf Jahren in die Hosen gemacht habe. Das stört jedoch die Frauen wenig und noch weniger Opapa. Schon die Tage, bevor Onkel Poldi kam, arbeitete es in ihm. Er stand stundenlang gewichtig sich räuspernd am Fenster und rauchte sehr prominente Zigarren. Weder ich noch Jakob waren besonders gefragt. Schließlich wandte er sich aber doch zu mir um: »Hm... ich werde für die Bande in der >Königseiche< Zimmer bestellen. Kommst du mit?«
Natürlich kam ich mit. Die >Königseiche< war das einzige Hotel unseres Vororts und wurde alle vierzehn Tage einmal von der Familie zur Einnahme eines sogenannten >kleinen Abendessens< aufgesucht. Als wir eintraten, schien der Oberkellner infolge eines Gähnkrampfes dem Tode nahe zu sein. Unser Erscheinen errettete ihn. Er machte den Mund zu, riß die Serviette unter den Arm, erschreckte einige Dutzend Fliegen, die auf einem der leeren Tische verzweifelt an Brotkrumen tupften, und stürzte auf Opapa zu: »Guten Morgen, Herr Direktor!«
»Morgen, Fellner!« sagte Opapa jovial.
»Was darf es denn sein, Herr Direktor? Guten Morgen, junger Herr!«
Das war ich! Ich machte eine knappe Verbeugung und schielte nach den Bierdeckeln, die ich mir von dort mitzunehmen pflegte.
»Rufen Sie mir mal den Wirt!« sagte Opapa.
»Jawohl!« sagte Fellner entsetzt. »War etwas nicht in Ordnung das letztemal?«
Opapa klopfte ihm auf die Schulter: »Ach, keine Rede, Fellner!«
Der verbeugte sich erleichtert: »Ich rufe den Gewerberat. Wenn die Herrschaften inzwischen Platz nehmen wollen? Kleines Pils?«
Opapa nickte gnädig, und ich bestellte schnell eine Himbeerlimonade mit Strohhalm. Dann trug der Wirt, der irgendwo den absonderlichen Titel Gewerberat erworben hatte, seinen gewaltigen Schnauzbart und den darunter in einer grauweißen Weste wabbelnden Bauch gegen uns heran. Auf dem Bauch hing eine dicke goldene Kette mit den ersten Zähnen seiner vier Kinder, alle in Gold gefaßt (die Zähne natürlich). Die Begrüßung war von chinesischer Höflichkeit. Nachdem man das Wetter diskutiert und festgestellt hatte, daß man beiderseits nicht jünger werde,
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