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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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eine Liste holte und die Nummern strich.
    Ich hatte während der ganzen Zeit mit Jakob auf der Hand ganz still neben dem Phonographen gesessen und mit den Walzen gespielt, die in ihren gefütterten Papprollen bereitstanden. Opapa tat mir sehr leid. Jetzt bemerkte er mich, nahm den Kneifer ab und kratzte sich am Kinn.
    »Wenn du willst«, schlug ich vor, »laß ich die Kiste mit den ganz schönen in den Glasröhren verschwinden! Wir könn’ ja sagen, daß Jakob sie ‘runtergeworfen hat und daß sie kaputtgegangen sind!«
    Opapa strich mir über den Kopf: »Nein, laß«, sagte er melancholisch, »das hat keinen Zweck, sie holt dann nur noch eine Kiste heraus, man soll sich nicht mit Frauen streiten, merk dir das.«
    »Warum soll man sich denn nicht mit ihnen streiten?«
    »Weil sie die besseren Nerven haben und deshalb immer recht behalten. Aber das verstehst du nicht.«
    Es klingelte wieder einmal. Es klingelte eigentlich ununterbrochen. Diesmal kamen die Blumen für die Dekoration. Auf dem Flur herrschte lebensgefährliches Gedränge. Jeder stieß jeden, und alle zusammen fielen dauernd über irgend etwas. Zwischendurch riß die Mama die Tür auf: »Ihr müßt euch umziehen — schnell! Die ersten Gäste kommen bald!«
    Opapa warf sich in das Flurgewimmel, um in das Schlafzimmer zu gelangen, ich steckte Jakob in die Jacke und sauste hinter ihm her: »Opapa, ziehst du heute deine Orden an?«
    »Nein«, meinte er, »ich darf nicht, das heißt, ich will nicht. Busch und der Eiszapfen haben keine Orden zum Anstecken, es würde sie beschämen.« Ich blieb bei ihm im Schlafzimmer und beobachtete, wie er den Frack anzog. Ich durfte ihm beim Hemdknöpfen helfen und rannte nach einem Schuhanzieher, weil ihm die Lackstiefel zu eng waren. Er fluchte furchtbar.
    Dann wurden wir beide wieder hinausgejagt, weil das Schlafzimmer für die Garderobenablage der Damen frei gemacht werden mußte. Die Mama packte mich beim Wickel und steckte mich in meinen besten Matrosenanzug mit den Goldknöpfen.
    »Wenn Onkel Leo dich fragt, ob dir die Mütze Freude macht, die er dir voriges Jahr geschenkt hat, mußt du sagen, daß du sie dauernd trägst und daß sie dir viel Freude macht, hörst du? Dann schenkt er dir nächstes Jahr wieder eine Mütze!«
    »Das kann er auch ruhig tun«, sagte ich, »er macht sie ja selbst, sie kosten ihn nichts. Soll ich ihm das sagen?«
    »Untersteh dich!«
    »Soll ich ihm einen Kuß geben?«
    »Nur, wenn er dir die Backe hinhält. Du weißt, Onkel Leo ist nicht sehr für Zärtlichkeiten, nur manchmal, wenn man es nicht vermutet. Man kennt sich bei ihm nicht aus.«
    »Mama«, sagte ich, während sie mir das Haar bürstete, den Scheitel zog und die Ohren revidierte, »Omama hat gesagt, Onkel Leo ist Millionär, und Tante Lola ist unsere Erbtante, stimmt das?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Und Omama hat gesagt, wenn sie stirbt, vermacht sie mir vielleicht was! Soll ich sie danach fragen?«
    »Untersteh dich!«
    »Soll ich vielleicht Tante Lola den Jakob zeigen?«
    »Vielleicht später, nicht gleich. So, und jetzt ‘raus!«
    »Ja... wohin denn Taus! Ich wer’ ja überall ‘rausgeworfen!«
    »Sperr den Jakob ein und geh ins Eßzimmer.«
    »Ich kann Jakob nicht einsperren, er ängstigt sich so vor der Mütze vom Koch.«
    »Dann nimm ihn mit ins Eßzimmer«, sagte sie, »aber paß auf ihn auf und nimmt nichts vom Tisch, da ist schon gedeckt.«
    Ich ging also ins Eßzimmer. Dort sollten die weniger wichtigen Eingeladenen an der Tafel abgefüttert werden, die man auf die vierfache Länge ausgezogen hatte. Es war ein imposanter Anblick: viel Blumen auf dem Damasttuch, das beste Geschirr, die Servietten kunstvoll zu spitzen Kegeln gefaltet. Dazwischen standen Bouillontassen mit Käsestangen, und außerdem hatte der Koch aus Butterkugeln herrliche Pyramiden aufgebaut.
    Dann klingelte es wieder. Ich setzte Jakob schnell auf eine Stuhllehne, legte ihm den Lappen unter und rannte zur Entreetür. Da war schon der erste Gast: der alte Geheimrat Schlieven aus dem Kriegsministerium kam hereingewankt. Er hatte einen Gehpelz über dem Frack und sah direkt vornehm aus. Natürlich lange nicht so vornehm wie Opapa, der jetzt auch im Frack erschien und den Geheimrat durch eine ungewöhnlich freundliche Begrüßung bestürzte. Er legte dem baufälligen Erstling sogar den Arm über die Schulter und sagte: »Kommen Sie nach vorn, Schlieven, wir nehmen erst einmal einen, damit wir die Sache besser durchstehen!«
    Schlieven wischte sich mit

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