Gute Nacht Jakob
sich zusammen. Opapa, der hinter ihm aufkreuzte, nahm seinen Arm:
»Darf ich bekannt machen: meine Tochter... mein Neffe, Generalleutnant von Wiedenhof — Kollege Werkenthau.«
Onkel Poldi verbeugte sich ritterlich. Werkenthau stammelte: »Exzellenz...!« Dann küßte er der Mama schwärmerisch die Hand: »Gnädige Frau...«
Als er der Omama vorgestellt wurde, war er schon so fertig, daß er ihr kaum die Rosen überreichen konnte, die er hinter dem Rücken hielt. Omama reichte ihm die Hand zum Kuß. Sie hatte den großen Brillantring angelegt, der nach allen Seiten bunte Strahlen warf. Ich bemerkte, wie er den Ring blitzschnell musterte, ehe er die Hand wieder freigab. Er sah nun ganz verfallen aus. Dann kam Tante Lola und warf ihn völlig aus der Bahn, indem sie ihn mit einem Legationsrat verwechselte, den sie beim Empfang des Fürsten Lichnowsky getroffen hatte. Während Werkenthau sich stotternd bemühte, den Irrtum aufzuklären, erschien Onkel Ferdl und fragte Tante Lola, wie ihr der gestrige Abend bekommen sei. Tante Lola schlug ihn leicht mit dem Fächer, durchtränkte Werkenthau mit einem Antilopenblick und bat ihn, sie zu entschuldigen. »Die Verwandtschaft... Sie verstehen...!«
Werkenthau versicherte, daß er alles verstehe, und ging dann wie auf Eiern an ein Tischchen mit Schnäpsen. Der Mann war erledigt, das war klar.
Beim Anblick Onkel Ferdls waren mir wieder seine Pferde eingefallen. Ich mußte fragen, ob er sie bezahlt hatte. Schulden kamen bei uns gleich nach Diebstahl, und ich hatte ihn doch gern, weil er so eine schöne Uniform hatte und so lustig war.
Ich bahnte mir meinen Weg — überall beklopft und begrüßt — durch die immer dichter werdende Menge. Mein Herz schwoll. Das Licht der Kronleuchter und Kerzen, all diese Männer in Frack oder Uniform, die Damen in raschelnden Seidenkleidern mit Blumen, Brillanten, Perlen, weißgepuderten Schultern und tiefen Ausschnitten, der wunderbare Geruch von gutem Essen und Zigarren, das sanfte Summen des Geplauders mit den Lichtkringeln des Gelächters, unsere schönen Möbel und Teppiche, die alle ganz neu und anders aussahen... Es ging eine solche Kraft und heitere Ruhe davon aus. Ein schöner, wunderschöner Abend!
Halt, da war Onkel Ferdl! Er saß mit Onkel Fritz und Tante Frieda zusammen auf dem Sofa im Salon. Onkel Fritz war auch ein Neffe von Opapa, zwei Meter groß, Major im Generalstab, hatte einen Birnenschädel, breite rote Streifen an der Hose und einen ganz hohen Kragen auf der Uniform, so daß er zusammen mit seinem langen Kopf aussah wie ein Schornstein.
Onkel Ferdl und Onkel Fritz redeten zu gleicher Zeit auf Tante Frieda ein, die sehr schön aussah mit ihren großen schwarzen Augen, Ohrringen und einem Kamm im Haar. Ihr Mann, Onkel Ludwig, war Redakteur, hatte einen roten Vollbart und hielt nicht weit von den anderen dem einsamen Werkenthau einen Vortrag über Politik. Als ich kam, sagte Onkel Ferdl gerade zu Tante Frieda, sie solle nicht auf das >blöde preußische Lineal< (damit meinte er Onkel Fritz) hereinfallen. Sie, die Windischgrätz-Dragoner, seien bekannt für schneidige Attacken.
Das war der richtige Augenblick. Ich schmiegte mich zärtlich an Onkel Ferdl (was ihm anscheinend gar nicht gelegen kam) und fragte: »Reitest du dann auf deinen Alimenten?«
Die drei erstarrten und zogen im Takt die Augenbrauen hoch. »Was hast du da gesagt, mein Junge?« fragte Tante Frieda.
»Ob Onkel Ferdl dann auf seinen Alimenten reitet, wenn es zur Attacke geht. Weil er sie doch noch nicht bezahlt hat!«
Onkel Fritz riß den Mund auf, haute sich auf den Schenkel und lachte so los, daß sich ein paar in der Nähe umdrehten. Tante Frieda griff schnell nach dem Taschentuch, hielt es sich vor den Mund und die Augen, so würgte sie, um nur nicht auch so laut zu lachen: »Ferdl«, keuchte sie schließlich, »...ich stell’ mir das so vor!«
Onkel Ferdl war ganz rot geworden und packte mich am Arm: »Was, zum Teufel, erzählst du da, du Lauser?«
Huch, hatte der plötzlich Augen! So mochte er schauen, wenn man mit ihm zum Säbelkampf kam. Lieber nicht.
»Ich weiß gar nicht, was ihr wollt!« stotterte ich. »Opa hat es doch gesagt, daß Onkel Gustl gesagt hat ...«
»Gustl!!« schrie Onkel Ferdl kampflüstern und richtete sich auf wie ein Hahn.
»Und Opapa hat gesagt«, stotterte ich weiter, »...er hat sie nicht zugeritten... er weiß es nicht...«
Jetzt packte mich Onkel Fritz am Arm: »Was hat er gesagt... zugeritten?
Weitere Kostenlose Bücher