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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Gewöllewurst von ihrer Hand, Onkel Fritz riß auch das Taschentuch heraus und wischte umständlich den Kuchenkrümel vom Busen weg, bis sie sagte: »Na, jetzt ist es aber genug, Fritz!« Onkel Leo war auch plötzlich da, fragte: »Was ist los?« und setzte den Kneifer auf, wodurch er noch unerbittlicher aussah.
    Aber Tante Lola erwies sich wieder einmal als große Dame: »Das kleine Vögelchen hat mir ein Kompliment gemacht. Laß dich nicht stören, Leo!« erklärte sie. Leo sah sie an, Onkel Fritz an, Opapa an, die — ihr Taschentuch in der Hand — ziemlich dumm herumstanden, grunzte dann etwas und ging wieder weg. Omama schleppte die Kusine ins Schlafzimmer, Opapa sah mich finster an und kippte dann die Gewöllewurst mit einem Ausdruck tiefsten Ekels aus dem Taschentuch in einen Aschbecher, Onkel Fritz lachte, haute mir auf die Schulter und sagte: »Deine Krähe solltest du dir patentieren lassen! Mach dir nicht in die Hosen, Max, das Gesicht von Leo war mir den ganzen Abend wert!«
    Um mich drehte sich alles. Ich war entsetzt, müde, verwirrt, und immer noch war mir übel, besonders von der Eisbombe.
    Dann brachte mich die Mama ins Bett. Jakob ließ ich auf dem Stuhl neben dem Nachttisch schlafen, weil er doch solche Angst vor dem Koch hatte. Viel später wurde ich noch einmal wach, als die Gäste gingen und man die Mäntel aus meinem Zimmer holte. Jakob war auch so müde, daß er nicht einmal den Kopf aus den Federn nahm.
    Früh am Morgen war ich wieder wach. Ich hatte wilde Träume hinter mir: immer rannte ich vor irgend etwas weg, durch große, finstere Höhlen, über messerscharfe Hügelkämme, die von furchtbaren Winden umheult wurden, immer das Jaköble an meine Brust gepreßt, während aus gespenstischen Weiden dünne Geisterarme langten, die ihn mir entreißen wollten.
    Ich blinzelte in das Licht und sah dann schließlich Jakob auf seiner Lehne, wie er gerade den Schnabel aufsperrte und gähnte.
    Wie kam er denn hierher? Und im Augenblick fiel mir wieder alles ein, besonders die Gewöllewurst auf Tante Lolas Hand. Nun würden wir wohl niemals Geld von ihr erben, und schuld war das Jaköble. Dazu die Sache mit den Butterkugeln — nun würde man ihn wohl verbannen...
    Aber ich würde es nicht zulassen. Wenn nötig, würde ich mit Jakob gehen. »Jaköble«, flüsterte ich aus dem Bett, »komm her!«
    Er ließ noch schnell einen Klecks fallen und hüpfte in mein Bett. Ich hob die Decke hoch und enthüllte ihm die warme Höhle, in der mein Körper ruhte. Jakob besah sich dieses Gebilde, das ihm zum erstenmal in dieser Weise präsentiert wurde, ziemlich nachdenklich und warf einen mißtrauischen Blick gegen die Decke des Federbettgewölbes. Dann aber betrat er es gravitätischen Schrittes. Ich zog ihn an mich und ließ die Decke über uns beide fallen: »Mein Jaköble, mein geliebtes«, flüsterte ich, streichelte seine Flügel und küßte seine Brust: »Wir bleiben zusammen! Ich liebe dich nämlich so furchtbar, weißt du.«
    Und dann malte meine wild wuchernde Phantasie sich aus, wie wir — von den Erwachsenen aus dem Haus getrieben — über die Landstraßen irren würden, ein kleiner Junge und ein noch kleinerer Vogel, wie dann die Nacht käme und der Schnee, der gnädige, in dem wir einschliefen und sterben würden (ich hatte gerade in der Zehn-Pfennig-Romanzeitung, die sich Valeska hielt, eine solche Geschichte gelesen). Ja — und dann würde man uns also finden, und Mama und Opapa und Omama würden über unseren Leichen zusammenbrechen und schreien: »Hätten wir doch...«
    Hier tat ich mir so leid, daß ich in wildes Schluchzen ausbrach.
    Die Bettdecke über mir wurde mit einem Ruck entfernt, die Mama ragte über mir auf: »Was machst du denn, willst du denn nicht aufstehen — die Sonne scheint, es ist Sonntag - du weinst ja? Warum denn? Ist dir noch übel? Und der Jakob im Bett, na — das wird ja immer schöner! Marsch, ‘raus mit euch!«
    Ich stand auf, ernst und gefaßt, wusch mich so wenig wie möglich und ging dann an den Frühstückstisch. Omama und Opapa saßen auch schon da, sie hatten gerötete Augen, und Opapa aß einen Hering. Eine große saure Gurke stand in Reserve. Noch sagten sie nichts über Jakobs Abschaffung, aber sicher verstellten sie sich nur. Ich gab ihnen den Guten-Morgen-Kuß, der ziemlich zerstreut entgegengenommen wurde. Opapa ging vom Hering zur Gurke über und bemerkte:
    »Also, Paulchen, wie gesagt, sehr gelungen, was? Leute haben sich offenbar amüsiert.«
    Sie sah

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