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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Weise umzuarbeiten. Omama riß ihn ihm weg, gab ihn der Mama und sagte in ihrer ritterlichen Art: »Trudchen, sei so lieb und nähe die Naht zu, die Jakob aufgerissen hat!« Und zu dem Geheimrat gewandt: »Jetzt hat er Ihren schönen neuen Handschuh kaputtgemacht, aber er ist gleich wieder ganz!«
    Der Geheimrat, von dem großzügigen Übersehen seiner junggesellenhaften Ungepflegtheit gerührt, knickte in Omamas Richtung zusammen, was wohl eine Verbeugung vorstellen sollte, dabei verlor er die Asche seiner Zigarre und mußte sich nun wieder die Hose abklopfen. Die fortgesetzten Unfälle dieser Jammerfigur begütigten Opapa, so daß er sich über die Störung der Briefmarkenbeschäftigung beruhigen konnte. Er setzte seinen Kneifer auf, sah den anderen nahezu gemütlich an und sagte: »Na, Schlieven, was sagen Sie denn zu den neuesten Beförderungen?«
    Mit dem anderen ging eine Veränderung vor. Er richtete sich auf, und in seinen Hundeaugen erschien eine unerwartete Kühle. Plötzlich war er wieder Beamter und wichtiger Mann im Kriegsministerium, der um seinen Rat gefragt wurde. Er strich sich über den Seehundbart:
    »Ja, also — wissen Sie, mein lieber Freund, ich habe heute gerade den kleinen Stülpnagel getroffen, den Generalleutnant, und er hat mir gesagt: >Schlieven<, hat er gesagt, >man kann nur noch staunen!««
    Opapa nahm den Kneifer ab und klopfte damit auf den Tisch. Auch seine Augen wurden hart: »Nicht nur staunen, Schlieven, nicht nur staunen! Unter dem alten Kaiser wäre so was nicht möglich gewesen. Ich muß sagen, dieser junge Mann mit dem Schnurrbart (gemeint war Wilhelm II., den Opapa niemals als Kaiser anerkannte) geht mir zusehends auf die Nerven.«
    Der andere seufzte: »Ja... Majestät ist schlecht beraten, sehr schlecht beraten.«
    »Ach was, es ist einfach ein grüner Junge!« meinte Opapa.
    Der Geheimrat sah ihn ängstlich an. Majestätsbeleidigung! Seine ganze Beamtenseele krümmte sich. Das konnte sich nur ein Mann wie Opapa leisten, dem der alte Kaiser etwas zu Weihnachten geschenkt und ihn »Mäxchen« gerufen hatte. Ich war stolz auf Opapa!
    Die weitere Unterhaltung entging mir, denn ein sonderbares Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit auf Jakob. Er war, während man sich mit dem Geheimrat beschäftigte, auf den Tisch geflogen und hatte sich meiner Leimblättchen angenommen, mit denen ich die Marken ankleben wollte. Eines saß ihm jetzt am Schnabel. Er versuchte, den Schnabel auf der Tischdecke abzuwischen, worauf sich das Blättchen oben auf den Kopf setzte. Er nahm die Kralle zu Hilfe, nun klebte es an der Kralle. Dort wollte er es mit dem Schnabel abreißen, und nun saß es ihm wieder am Schnabel, und zwar so unglücklich, daß es den Schnabel verklebte. Das versetzte ihn in völlige Panik. Während er aus dem geschlossenen Mund ein undeutliches Knurren ausstieß, arbeitete er verzweifelt mit der Kralle. Dabei geriet er mit dem Schwanz in die Galerie der übrigen Blättchen, die ihm nun am Hinterteil klebten. Er begann sich wie verrückt im Kreise zu drehen, das Gespräch verstummte, und alles folgte mit offenem Munde seiner Kabarett-Vorstellung. Schließlich brachen alle in schallendes Gelächter aus.
    »Nein... das ist ja wie Nino!« keuchte der Geheimrat. (Nino war ein Clown, der damals gerade auftrat und einen ähnlichen Trick mit einer klebenden Tüte vorführte. Dabei verdiente er ein Vermögen, und die Leute lachten sich buchstäblich krank.) Jakob hatte inzwischen wenigstens den Schnabel aufbekommen und versuchte nun die Blättchen an seinem Hinterteil loszuzerren. Natürlich wanderten sie über Schnabel und Kopf an die Kralle. Seine Sprünge wurden immer wilder, er flatterte schließlich über den Tisch weg und strandete in der Sofaecke, aber die weißen Dämonen folgten ihm, weil sie an ihm festklebten. Im Kampf mit ihnen rasselte er sein ganzes Repertoire herunter, und endlich, in seiner höchsten Not, flatterte er wieder auf den Tisch, sprang mich an und krallte sich, am ganzen Leibe zitternd, an meiner Brust fest. Während mir vor Lachen die Tränen über das Gesicht liefen, streichelte ich ihn und befreite ihn von den Plagegeistern, die so harmlos auf dem Tisch gestanden hatten und plötzlich lebendig geworden waren. Kaum war er sie los, brachte er sich auf meiner Stuhllehne in Sicherheit und äugte von da aus böse gegen den Rest der Blätter, »Armleuchter!« sagte er. »Schulmeister!«
    Der Geheimrat wischte sich die Tränen aus den Augen:
    »Ein richtiger

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