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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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traf ich die Mama und klagte ihr mein Leid.
    »Komm mit«, sagte sie, »ich gehe sowieso ins Eßzimmer, da ist niemand, ich muß nachsehen, ob alles richtig gemacht ist.«
    Wir zogen die Schiebetür auseinander und gingen hinein. Die gewaltige Tafel stand schweigend unter dem Kristalleuchter, und auf der Tafel stand Jakob. Er war so fieberhaft beschäftigt, daß er unseren Eintritt gar nicht bemerkte. Momentan war er dabei, das Arrangement architektonisch umzubauen, und zwar konzentrierte er sich dabei auf die Pyramiden aus Butterkugeln. Er pickte immer eine Kugel mit dem Schnabel auf, schüttelte sich dann und schnellte sie auf diese Weise in die Weite. Zwei große Pyramiden hatte er schon abgetragen, und die Butterkügelchen klebten überall — auf den Stuhllehnen, an den Wänden, auf dem Teppich. Er arbeitete wie im Akkord und bekam einen fürchterlichen Wutanfall, als ihn die Hand der Mama packte. Aus Rache legte er noch schnell einen Klecks auf die Tafel, bevor er wie am Spieß schreiend in die Küche transportiert und ins Bauer gesperrt wurde.
    Dort aber entsetzte er sich von neuem über die Mütze vom Koch, und so nahm ich ihn wieder heraus und flüchtete mich mit ihm und Max in Valeskas Zimmer, wo wir uns traurig und ausgestoßen auf ihrer eisenumrankten Schlummerstätte niederließen. Gott sei Dank wurde ich vom Schicksal entschädigt, denn als ich in meiner Langeweile anfing herumzustöbern, fand ich unter Valeskas Bett einen gewissermaßen konzentrierten Auszug aller Gerichte, der wahrscheinlich als Belegexemplar für ihren Freund beiseite gebracht worden war. Es gab da Hummermayonnaise, Kaviareier, gebratene Hühnerbeine, Eisbombe und Torte. Jakob, Max und ich aßen von allem, wobei sich Max für die Hühnerbeine interessierte, während Jakob und ich das Eis und die Torte bevorzugten.
    Dann — nach erfolgter Sättigung — begannen Max und Jakob sich füreinander zu interessieren.
    Max stand vor dem Eisenbett, zitterte mit den Beinen und heftete seine hervorquellenden Glubschaugen auf Jakob, der ihn sich, auf meinem Knie sitzend, mit schiefem Kopf betrachtete. Er hatte noch nie einen so kleinen Hund gesehen. Jetzt rülpste Max, daß seine Glöckchen klingelten. Jakob strich sich seinen mit Sahne beschmierten Schnabel an meiner Hose ab und sprang dann auf die Erde. Er war ebenso hoch wie Max. Der zitterte. Was würde nun geschehen?
    Ich saß auf dem Sprung und fürchtete besonders für Maxens Augen, aber Jakob interessierte sich nur für die Glöckchen. Erst knabberte er daran, dann holte er aus und führte einen Hieb dagegen. Max sank in die Knie und sah aus wie ein winziges Reh. Dann drängelte er sein Hinterteil zwischen meine Beine und reichte vorn in einer rührenden Bewegung Jakob die Pfote hin. Und siehe da: Etwas von der Demut des kleinen Hundes schien ihn zu erreichen. Er hob seinerseits ein Bein und griff damit die Pfote. Er wollte auf steigen! Einen Moment sah es so aus, als schüttelten sich die beiden die Hand. Dann ließ Max die Pfote sinken, stakste, immer noch zitternd, an Jakob heran und leckte ihm über die Schultern.
    »Hansemännchen!« bemerkte Jakob zu diesem unerhörten Vorgang. Dann langte er herum und kaute ganz zart und vorsichtig an einem von Maxens kleinen, dürftigen Fledermausohren. Max legte sich auf den Rücken und reckte seine vier Stöckchenbeine in die Luft. Jakob ging rund um ihn herum und begann dann ganz vorsichtig dieses ganze Gebilde abzusuchen. Er fuhr mit dem Schnabel über die kurzen Haare, kaute an den kleinen, schwarzen Zehen, zwickte ganz zart die dünnen Häute an den Schenkelgelenken und zerrte an den Glöckchen. Max schloß die Augen, rülpste noch einmal und begann dann zu schnarchen. Jakob hörte sich das Geräusch eine Weile an, dann riß er den Schnabel auf, gähnte und sortierte das Gefieder. Schließlich steckte er, an der Seite des Spielgefährten sitzend, den Kopf weg.
    Mir war an sich etwas übel, aber die schläfrige Stille, die von diesen beiden Tieren ausging, überwog. Ich sah noch eine Zeitlang in den rötlichen Schein der Petroleumlampe, die auf Valeskas Nachttisch brannte, auf die Postkarten, die hinter ihrem Spiegel steckten und ihren Bräutigam mit nacktem Oberkörper und geschwollenem Bizeps im Ringerverein zeigten. Dann wußte ich nichts mehr.
    Ich wurde erst wach, als mich jemand rüttelte. Es war die Mama:
    »Ja... was machst du denn hier? Es ist doch schon ganz spät! Seit drei Stunden bist du verschwunden! Aber es ist ganz gut, daß

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