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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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nehmen Jakob mit!«
    Ich sprang an ihm hoch: »Au... fein, Opapa, da bin ich dann auch schon wieder ganz gesund!« Ich holte mir Jakob:
    »Jakob... wir gehen ins Grüne, wo richtige Bäume sind und Wiesen, da kannst du so viel Blumen abhacken, wie du willst, und wir können uns auf der Erde wälzen und Käfer suchen, und es schimpft keiner!«

    Der Ausflug startete mit zahllosen Ermahnungen und belegten Broten, die wir laut großmütterlicher Anweisung im Restaurant >Seeblick< zu einer Tasse Kaffee respektive einer Brauselimonade zu verzehren hatten. Das warme Mittagessen würde uns bis abends aufgehoben. Wenn der Hunger allzu groß wurde, könnten wir unterwegs ein paar Wiener Würstchen mit Senf von einem Papptablett essen.
    Meine größte Sorge war, wie wir Jakob bis in den Wald brächten, ohne ihn mit dem Transportbauer zu quälen. Ich machte mich stark, ihn auf der Hand zu tragen und ihm in kritischen Situationen ein Tuch über den Kopf zu hängen. Außerdem wurde ich mit einem frischen Lappen für seine Kleckse ausgestattet, falls wir wegen schlechten Wetters in einem Lokal sitzen müßten.
    Und dann ging es tatsächlich los. Es war strahlendes Wetter, mit kleinen, festen, weißen Wolken am Himmel. Opapa bestand darauf, daß er den flachen Strohhut aufsetzte, Omama bestand darauf, daß er dann den Schirm mitnehmen müsse. An der Krücke des Schirms befestigte sie das Frühstückspaket, damit es nicht im Abteil vergessen werde.
    Opapa sagte: »Das ist lieb von dir, Paulchen« und zwinkerte mir zu. Und dann fiel wirklich die Haustür ächzend hinter uns ins Schloß, und wir standen auf der Straße. Wir gingen Hand in Hand, bis wir wußten, daß unsere Damen, die hinter der Gardine standen, uns nicht mehr sahen. Opapa wandte sich um und vergewisserte sich, daß die Luft rein sei. Dann gab er mir den Schirm mit dem Reiseproviant und sagte:
    »Jetzt paß mal auf: Du läufst schnell zum Franz (der Friseurssohn) und gibst ihm das alberne Zeug. Den Schirm soll er mir aufheben, die Brote soll er aufessen. Sage ihm, es sind Eier drauf!«
    Ich sauste los. Franz war beglückt. Als ich mit hängender Zunge wieder zurückkam, stand Opapa dort und hatte seinen guten Spazierstock mit dem vergoldeten Knopf in der Hand.
    »Wo hast du denn den her?« fragte ich.
    Er grinste wie ein Fuchs: »Den habe ich gestern hier in der Kneipe abgegeben!«
    Ich versuchte, ihm auf die Schulter zu klopfen, reichte aber nur bis zum Ellbogen: »Mann... du bist ganz groß!« sagte ich.
    Dann schoben wir beide zum Bahnhof und pfiffen. Am Billettschalter löste Opapa anderthalb Karten zweiter Klasse. Mir blieb angesichts dieser Verschwendung der Atem weg. Es waren natürlich noch zehn Minuten Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges. Endlich schnappte das Schild herunter, in der Ferne kam die Lokomotive mit der Schlange der Wagen dahinter an, die sich durch eine Kurve wanden, der Aufsichtsbeamte kam aus seinem Häuschen, mit der roten Mütze auf dem Kopf und der Scheibe unter dem Arm. Dann wurde die Lokomotive ganz groß, sie fauchte und dröhnte an uns vorüber, der Perron zitterte, die Bremsen kreischten. Jakob, den ich mit beiden Händen hielt, wand sich vor Aufregung und wollte durchaus losflattern. Ich drängte mich dicht an Opapa, der gewichtig den Zug entlangging. Wie klug von ihm, zweiter Klasse genommen zu haben, denn in dritter war alles voll, und in zweiter gab es lauter ganz leere Abteile, in denen wir Jakob loslassen konnten.
    Zu meinem Erstaunen wählte Opapa jedoch nicht ein leeres Abteil, sondern eines, in dem schon eine Dame mit großem Hut und dunklen Locken saß. Bevor er einstieg, griff er in die Tasche, holte sein Schnurrbartbürstchen vor und bürstete sich die Enden hoch. Dann setzte er den Strohhut eine Kleinigkeit schiefer, rückte die Krawatte zurecht, räusperte sich und vertrödelte damit so viel Zeit, daß der Beamte schon »Einsteigen, bitte!« rief, ehe er die Klinke herunterdrückte. Ich klomm hinter ihm die hohen Stufen hoch und stieß mich am Schienbein, weil ich doch Jakob in der anderen Hand hatte und ausrutschte.
    Drinnen machte Opapa eine kleine Verbeugung gegen die Dame, setzte sich dann gewichtig hin, zog die Hosenbeine hoch, räusperte sich wieder und fragte mich schließlich in einem Ton, der mir sonderbar gekünstelt vorkam, ob ich mich freue.
    »Ich freue mich gar nicht«, versicherte ich, die Dame mit dem Hut feindselig betrachtend, »warum sind wir denn nicht in ein leeres Abteil gestiegen, da hätte ich doch

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