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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Mensch!« keuchte er. »Ein richtiger kleiner Mensch!«
    »Nur viel sympathischer«, meinte Opapa, »viel sympathischer!«

    Der Schnee schmolz schon nach wenigen Tagen. Der März kam, durch die Straßen brauste ein warmer Wind, die Leute niesten alle, und ich bekam endlich auch einen Schnupfen. Vierzehn Tage lang durfte ich im Bett liegen. Der Hausarzt hatte mir auf dem Rücken herumgehorcht und festgestellt, daß es dort rassele. »Bronchitis!« lautete der Befund.
    Ich kannte meine Bronchitis schon, ich bekam sie jedes Jahr um dieselbe Zeit und freute mich darauf. Man hatte leichtes Fieber, so, als ob man heimlich von einem Glas Wein genascht hätte, es tat nicht weh, und alle machten sich Sorgen und sprachen leise, wenn sie im Eßzimmer nebenan waren. Ich bekam Taubensüppchen und Stangenspargel mit Buttersoße und konnte mir alle Spielsachen mit ins Bett nehmen. Ich ließ mir das Luftgewehr geben und baute aus den Kopfkissen eine Schanze. Natürlich durfte man mit solchen Spielen nicht unvorsichtig sein, man spielte sie besser für sich allein, denn sonst glaubten die Erwachsenen, man sei schon wieder zu munter und könne bald in die Schule.
    Während dieser ganzen Zeit war Jakob mein treuer Gefährte. Schon morgens lärmte er gewaltig in der Küche und bestand darauf, daß man ihn zu mir ins Zimmer ließe. In der ersten Zeit der Krankheit, als es am schlimmsten war, wusch mich die Mama im Bett.
    Ich mußte mich aufsetzen und bekam die Waschschüssel vor die Brust gestellt. Dann zog man mir das Hemd über den Kopf, schmierte den Lappen voll Seife, und dann ging es los.
    Beim erstenmal hüpfte Jakob vom Bettgiebel herunter auf den Rand der Schüssel, sprang hinein und fing an, sich auch abzuplanschen. Die Mama feuerte ihn hinaus. Er saß ganz verdattert auf dem Bettvorleger und zwinkerte mit den Augen, offenbar hatte er etwas Seifenwasser hineinbekommen. Dann begann er sich zu kratzen, und schließlich nieste er, wobei ihm plötzlich eine Seifenblase aus dem einen Nasenloch stieg. Er saß schreckgelähmt, bis sie zerplatzte, und darüber entsetzte er sich so, daß er flatternd bis unter die Zimmerdecke stieg.
    Kaum war ich gewaschen, war er bei mir im Bett. Wir spielten ein herrliches Spiel. Ich rückte mit meiner Decke ganz bis an die Wand und ließ dann abwechselnd eine große Zehe oder einen Finger darunter vorgucken. Jedesmal sauste Jakob wie ein angestochener Eber darauf zu, um danach zu hacken. Wenn wir das über hatten und wenn er zwischendurch seinen Klecks absolviert hatte (das Tuch, das in der Familie der >Tuschlappen< genannt wurde, wegen der reichen Farbenskala, die er darauf produzierte, lag vor dem Bett), hob ich das Deckbett hoch und lud ihn zu einem Spaziergang durch die Federbettgrotte ein.
    Auch mittags aßen wir zusammen, was keineswegs gern gesehen wurde. Denn einmal hatte es Spaghetti gegeben, über die ich verschwenderisch Bratensoße goß, und Jakob, der sie wohl für eine Art Mehlwürmer hielt, bekam eines der reich getränkten Spaghetti zu fassen und zog es quer über das Laken, so daß es aussah wie etwas anderes.
    Zum Nachtisch gab es an diesem Tage Pfirsiche aus der Büchse. Das war etwas für ihn, der ein großes Leckermaul war. Er hackte sich ein großes Stück des gelben Fruchtfleisches herunter und fraß es genüßlich auf, indem er den Kopf ganz nach oben reckte und das Pfirsichstück ein paarmal ganz schnell auf der Zunge hin und her rutschen ließ, ehe er es hinunterschluckte.
    Eines Abends gingen die Großeltern und die Mama ins Theater. Ich blieb mit Valeska allein. Das war eine großartige Sache. Auf meinem Nachttisch brannte die kleine Petroleumlampe aus ihrem Zimmer, deren Schirm auf der einen Seite rot abgeblendet war, damit mich das Licht nicht schmerzte. Auf der anderen Seite, da, wo Valeska saß, war es heller. Sie hatte sich einen Brief mitgebracht, schrieb daran und seufzte häufig dabei. Im Frühling seufzte sie immer viel. Dem Jakob hatten wir Mamas Knopfschachtel zum Spielen hingestellt. Er war unermüdlich mit Sortieren beschäftigt, ab und zu, wenn ihm ein Knopf besonders gut gefiel, zog er damit ab und versteckte ihn. Ein paar hatte er mir schon unter das Deckbett geschoben, und die anderen verstaute er unter dem Bettvorleger.
    Valeska seufzte, griff auf den Teller, der mit ein paar Brötchen neben ihr stand, warf Jakob ein Stück hin, dann legte sie den Brief zur Seite, setzte sich zu mir aufs Bett, schüttelte mir das Kissen auf, strich mir über den Kopf und

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