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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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zu untersuchen, indem er sie abhackte und in einer Reihe wie die Mehlwürmer auf baute. Ich sprang auf:
    »Pfui, Jakob, laß die Blumen stehen!«
    Der Kobold in ihm erwachte, mit gellendem Tschack-tschack kreiste er hinter mir herum und hackte auch noch den schönen weißen Krokus und das Schneeglöckchen ab, vor denen ich eben gekniet hatte.
    Der kleine Auftritt hatte den Portier des gegenüberliegenden Hauses aufmerksam gemacht. Er war ein großer Mann mit dicken, krummen Beinen und einem aufgezwirbelten Schnurrbart. Er hatte den Kopf geschoren und war früher Feldwebel gewesen. Jetzt riß er das Fenster auf und brüllte mich an: »Wenn du dich mit deinem Rabenvieh nicht zum Teufel scherst, drehe ich ihm den Kragen um! Und dir haue ich den Hintern voll!«
    Oben am Küchenfenster sah ich Valeskas Kopf erscheinen.
    »Valeska«, rief ich, »er will Jakob umbringen und mich verhauen!«
    Valeskas Kopf verschwand eilig vom Fenster, ich jagte hinter Jakob her, der sich absolut nicht fangen lassen wollte, sondern von einem Strauch zum andern hüpfte und sich schließlich auf einen der verstaubten Büsche schwang. Ich wühlte in dem Busch, der Portier brüllte: »Läßt du gleich den Busch in Ruhe, Lausebengel... warte, ich komme ‘raus!«
    »Jakob!« schrie ich. »Mein Jaköbchen... komm doch ‘runter!«
    Da erschien schon der Portier auf dem Hof, doch zu gleicher Zeit von der anderen Seite Opapa mit der Mama im Schlepptau. Opapa stampfte auf den Portier zu, den Schnurrbart gesträubt:
    »Wenn Sie den Jungen anrühren«, brüllte er, »zerbreche ich Ihnen sämtliche Knochen im Leibe!« Er sah richtig gefährlich aus und hatte ganz rote Adern in den Augen.
    Die Mama hängte sich an Opapas Arm: »Vater... mach dich nicht unglücklich!« schrie sie.
    In allen Fenstern erschienen Köpfe.
    »Hier auf dem Hof habe ich zu sagen!« grollte der Portier, aber er wich unwillkürlich zurück.
    Jakob, die Szene mit schiefem Kopf und dünnem Hals beobachtend, hatte wohl das Gefühl, daß dicke Luft sei, und schwang sich auf meine Schulter. Ich nahm ihn an meine Brust, rannte zum Hintereingang und blieb dort stehen, den weiteren Verlauf von dort abwartend.
    »Ich werde mich über Sie beschweren!« donnerte Opapa. »Sie können sich Ihren ganzen albernen Hof an den Hut stecken und ihn umgraben, wenn Sie wollen, aber lassen Sie das Kind zufrieden!«
    »Er war eben krank und ist noch so schwach!« sagte die Mama hinter Opapas Rücken hervor.
    Der Portier wandte sich um und ging O-beinig wieder zurück, irgend etwas von »Aufgeblasener Bande aus dem Vorderhaus« murmelnd. Opapa schüttelte hinter ihm die Faust: »Sagen Sie das nicht noch einmal!«
    »Komm nach oben, Max!« sagte Omama kurz vom Küchenfenster herunter.
    Opapa, der einem siegreichen Stierkämpfer gleich dastand, erwachte wie aus einem Traum. Er nahm mich bei der freien Hand, und wir gingen nach oben.
    »Du sollst dich nicht so erregen«, sagte Omama dort. Opapa schnaubte noch gewaltig durch die Nase: »Ich hätte den Kavalleriesäbel mitnehmen sollen«, sagte er, »so ein alberner Kerl, Feldwebel... wahrscheinlich war er nicht mal im Krieg!«
    »Er kann dich wegen Bedrohung verklagen!« erklärte Omama.
    »Er hat das Kind bedroht!« meinte Opapa bedeutend leiser.
    »Das zählt nicht vor Gericht«, erklärte Omama, »du weißt, Max, ich bin ein halber Rechtsanwalt!«
    »Soll er doch!« sagte Opapa ziemlich schwach, und dann gingen er, Jakob und ich ins Vorzimmer.
    Dort nahm Opapa erst mal einen Cognac, und dann zündete er sich eine Zigarre an.
    »Das haste fein gemacht«, sagte ich, »der hatte richtig Angst! Du hätt’st ihm mindestens eine vor ‘n Bauch geben sollen!«
    »Ja... nicht wahr«, meinte Opapa, »er hatte Angst! Diese Leute haben immer Angst, wenn man ihnen richtig entgegentritt.«
    Und dann nahm er Jakob auf die Hand und ging mit ihm auf den Balkon: »Mein kleiner Ultruspultrus!« sagte er und strich ihm den Rücken.
    Jakob knabberte an seinem Finger. Dann sah er oben am Himmel einen Schwarm heimkehrender Stare. Er verfolgte sie mit einem nach oben gewandten Auge, ging mehrmals in die Kniebeuge und wippte mit den Flügeln. Opapa beobachtete ihn aufmerksam. Darm kratzte er sich am Kinn und sagte:
    »Weißt du was... das arme Tier kennt ja eigentlich gar nicht mehr die Natur! Am nächsten Sonntag haben unsere Damen ihren Wabenkrötenverein (das war sein von den Damen streng verpönter Ausdruck für das Kaffeekränzchen). Da machen wir beide eine Landpartie und

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