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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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grausam ist... Er ist unschuldig... haben Sie selbst... gesagt...«
    Und dann ging ich. Auf der Schwelle packte mich ein unvermutet starker Griff und zog mich zurück, bis ich wieder mitten im Zimmer stand. Dann trat Hochwürden von mir zurück und sah mich von oben bis unten an:
    »Was willst du denn mal werden, du... du...«
    »Nonplusultra...«, sagte ich, unter Tränen lächelnd.
    »Ha?«
    »Nonplusultra nennt mich mein Opapa. Ultruspultrus sagt Jakob. Und ich will Offizier werden.«
    Im Gesicht Hochwürdens arbeitete es, er lief mehr und mehr rot an, und schließlich barst aus ihm ein Gelächter, ein gewaltiges, erschütterndes, falstaffisches Gelächter, das, aus dem Bauch aufgrollend, die Brust durchschüttelte und schließlich aus dem Mund brüllte. Mit Hinfallen auf den nächsten Stuhl und lautem Schenkelschlagen. Solch ein Gelächter kennt man heute gar nicht mehr, weil die dicken Bäuche, zu denen es gehört, zu selten geworden sind. Die paar Leute, die heute noch solche Bäuche tragen, sind darüber besorgt und lassen sich Hormone spritzen. Damals aber, in jener Märchen-Friedenszeit, trug man noch Bauch mit Stolz.
    »Offizier...«, keuchte er endlich, »viel zu schade! Mit dem Köpfchen... Rechtsanwalt... Rechtsverdreher... oder Diplomat oder...«
    Hier mußte er husten, sich in ein buntes Taschentuch schnauben, die Tränen ab wischen.
    »Maria...«, sagte er endlich schwach, »legen Sie noch ein Gedeck auf, dieses Gespann bleibt zu Mittag hier.« Er strich Jakob vorsichtig über den gesträubten Schopf.
    »Ihr seid einander wert!«
    »Armleuchter!« sagte Jakob.

    Die Tage begannen zu fliegen. Immerzu war eine Woche um.
    Es war Sonntag und ganz besonders schön. Die Sonne brütete schon mit hochsommerlicher Wärme und schüttete so viel Gold über das langsam in den moorigen Untergrund versinkende Schloß, daß es aussah wie frisch gewaschen. Oben um den Turm kreiste ein Falkenpaar. Im Hof lärmten die Spatzen und stoben auseinander, als ich mit Jakob auf dem Arm zu Ciglasch in den Stall ging. Dort schossen die Schwalben aus und ein in den kühlen Gewölben. Die verschmutzten kleinen Scheiben ließen nur wenig Licht durch, so daß man immer in einem Halbdunkel stand, in dem die Pferdehinterteile mit ihren langen Schwänzen gewaltig aufragten. Ab und zu ein Stampfen und Klirren, eine Mähne wurde geschüttelt, ein weiches Maul mahlte schnurpelnd in der Krippe.
    Jakob war gern hier, weil es so viele Fliegen gab, vor allem die dicken Pferdebremsen, die lautlos die schön gestriegelten blutvollen Pferdekörper anflogen und ihren Stachel hineinsenkten.
    Die beiden Kutschpferde Lisi und Grete hatten Jakob bei seinem ersten Auftritt mit wilden Panik-Augen betrachtet. So ein Pferd kann ja, wenn es etwas Ungewohntes sieht, das Auge aufreißen und ein Gesicht machen, daß es einem kalt über den Rücken läuft. Jakob hatte sich zuerst eine strategische Position auf der Scheidewand zwischen den beiden Boxen gesucht. Nach einer Weile, während er dort entlanghampelte und offensichtlich Fliegen fing, näherte sich ihm schnaubend ein riesiges Pferdemaul. Er hatte der Versuchung widerstanden, hineinzuhacken oder an die Decke zu flattern und verrückt zu spielen, hatte ganz still, wenn auch etwas dünn dagesessen und nur einmal »Tschack-tschack« gesagt. Nachdem die gegenseitige Besichtigung zur Zufriedenheit ausgefallen war, hatte Lisi, die ihn zunächst beschnuppert hatte, die Mähne geschüttelt und sich wieder dem Geschäft des Fressens gewidmet, ab und zu mit dem Schwanz schlagend oder den Kopf nach hinten werfend, um eine allzu hartnäckige Bremse zu verscheuchen. Dann hatte auch Grete Jakob besichtigt und sich von seiner Harmlosigkeit überzeugt. Beide hatten ihn aber während des Fressens im Auge behalten und beobachtet, wie er die Insekten vertilgte. Beim zweiten oder dritten Besuch hatte sich dann Jakob plötzlich von der Holzwand in Lisls Box heruntergelassen und dort die Jagd nach Fliegen aufgenommen. Sie hatte erst ein bißchen geschaut, dann aber sofort verstanden, worum es sich handelte. Ich hatte die ganze Sache mit angehaltenem Atem, auf Ciglaschs Schemel hockend, beobachtet. Jetzt setzte sich eine dicke Bremse auf Lisls rechtes Vorderbein. Sie zitterte mit der Haut, die Bremse machte einen kleinen Bogen und ließ sich dann an genau der gleichen Stelle wieder nieder. Lisi hörte auf zu fressen und sah schnaubend herunter. In diesem Augenblick sprang Jakob an ihrem Bein hoch, krallte sich eine Sekunde

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