Gute Nacht Jakob
dir noch mal die Hände, und dann ziehst du dir den weißen Matrosenanzug an, und wenn dann der Onkel kommt, bist du sehr artig, sehr artig, verstehst du?... und machst einen Diener, nimmst beim Kaffee nur ein Stück Kuchen — es Wird nämlich extra ganz teurer Kuchen aus der Konditorei geholt — und sagst kein Wort und zankst dich vor allen Dingen nicht mit Jessika, verstehst du, und Jakob sperren wir überhaupt weg!«
»Nein, das brauchst du nicht, Trudchen«, sagte Tante Jenny, die mit rotem Gesicht und Jessika am Schlafittchen gerade durch das Zimmer sauste. »Er soll ihm ruhig Jakob zeigen, da haben wir gleich Gesprächsstoff, man weiß nie, worüber man sich mit diesem...«, sie verschluckte ein Wort, »... unterhalten soll...«
»Ja... was ist denn los?« fragte ich die Mama ängstlich.
»Stinkmann kommt!« sagte Jessika und schnitt mir ein Gesicht. Im nächsten Moment hatte sie eine hinter den Ohren, eine ordentliche Tachtel, daß ihr der Kopf auf die andere Seite flog. Sie brüllte, und dann verschwand das Gespann im Nebenzimmer.
»Onkel Brinkmann kommt«, erklärte die Mama, »das ist der wichtigste Mann überhaupt, verstehst du? Das ist Onkel Gustls Chef! Der Herr Forstrat Brinkmann! >Küß die Hand, Herr Forstrat!< mußt du zu ihm sagen!«
»Aber ich dachte... ich dachte... Onkel Gustl ist der Oberste, und über Onkel Gustl gibt’s gar nichts mehr!« stammelte ich.
»Es gibt immer noch einen darüber, merk dir das«, sagte die Mama.
»Auch über dem Kaiser Franz Joseph und dem Kaiser Wilhelm?«
»Über dem Kaiser gibt’s den lieben Gott, und jetzt laß die dummen Fragen und paß auf: Ihr müßt bei Onkel Brinkmann ganz artig sein, und es muß alles wie am Schnürchen klappen. Onkel Gustl sitzt schon seit einer Stunde in der Kanzlei und muß bis in die Nacht arbeiten, damit die Bücher in Ordnung sind. Wenn Onkel Brinkmann etwas nicht gefällt, dann wird Onkel Gustl entlassen und muß aus dem Schloß heraus und wir alle mit, verstehst du? Deshalb muß Onkel Brinkmann alles gefallen!«
»Jawohl, bitte schön!« sagte ich ganz zerschmettert und suchte dann mit Jakob schleunigst das Weite. Ich geriet ins Wohnzimmer. Dort aber saß Jessika, kreuzunglücklich und verschüchtert, auf einem Stuhl, und vor dem Stuhl kniete Tante Jenny und versuchte, in einem Schnellkursus all das wiedergutzumachen, was Onkel Gustls lose Reden an gefährlichem Dynamit in Jessikas Katzenseele aufgespeichert hatten. Dieser Schnellkursus sah folgendermaßen aus:
»Jessika, paß auf! Wisch dir die Nase, dumme Jöhre! Und den Rock herunter, daß du nicht immer mit nackten Beinen dasitzt!«
»Ich schwitze doch aber so!«
Peng! hatte sie eine sitzen: »Heute kannst du noch schwitzen, verstehst du, aber wenn du dich morgen unterstehst zu schwitzen, hau ich dir den Hintern voll, daß du drei Tage lang nicht sitzen kannst! Außerdem werdet ihr beide heute gebadet!« fügte sie grollend hinzu und sah sich nach mir und Jakob um. Es war Tante Jennys Prinzip, mich immer gleich mit anzuschnauzen, aus Gerechtigkeit, wie sie zu sagen pflegte. Dann drehte sie sich wieder zu ihrem Produkt um: »Jetzt paß auf, Jessika! Und tu mir den Gefallen und nimm den Finger aus der Nase! Hör zu! >Brinkmann< sagen, nicht >Stinkmann< sagen! >Lieber Onkel Forstrat<, sagen, nicht >alter Scheißkerl< sagen! Was sagst du?«
Jessika war ganz puterrot im Gesicht vor Nachdenken und Aufmerksamkeit: » >Lieber Onkel Stinkmann< sagen«, wiederholte sie stotternd, »nicht >Forstrat< sagen, >küß die Hand, Herr Scheißkerl!< sagen, nicht >Onkel Brinkmann< sa...«
Peng! hatte sie eine sitzen. Sie brüllte entsetzlich. Ihr ganzes Gesicht war aufgerissenes Maul und Tränen, es sah scheußlich aus. Sie tat mir leid. Ich versuchte mich zu drücken.
»Du bleibst hier und lernst mit!« donnerte Tante Jenny (aus Gerechtigkeit). Jakob, der auf einer Stuhllehne geparkt hatte, machte einen dünnen Hals und schiefen Kopf, er murmelte irgend etwas Unverständliches vor sich hin. Tante Jenny wischte sich die Stirn und sah einen Augenblick ratlos auf ihr brüllendes Töchterlein. Dann beschloß sie, die Taktik zu ändern. Sie strich ihr das Haar aus dem Gesicht, gab ihr einen Kuß:
»Na, nun ist’s gut! Sei friedlich, Kind, kriegst auch ein Zuckerl, wenn du’s richtig machst! Also! Hör zu! >Onkel Brinkmann< sagen, nicht >Stinkmann< sagen!«
Das ging so eine halbe Stunde lang. Jessika bockte. Dann kam Tante Jenny ein neuer Einfall. Sie wandte sich zu mir um:
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