Gute Nacht Jakob
fest, und schon hatte er die Blutsaugerin erwischt. Von oben hatte sich der ungeheure Pferdekopf auf ihn niedergesenkt und ihn warm angeblasen.
Seitdem hatte er völlig freie Bahn. Er konnte sogar, wenn es ihm paßte, den beiden auf dem Rücken herumspazieren, und wenn sie, während er in den unteren Regionen tätig war, aus dem Stall geführt wurden, rollten sie die Augen, schnaubten und setzten die Füße ganz vorsichtig, um ihm ja nichts zu tun.
»Gell... da schaut’s, das Vogerl«, hatte Ciglasch erklärt, »a g’scheit’s Vogerl hat der junge Herr!«
Heute hatte ich nur einen kurzen Meinungsaustausch mit Ciglasch, in dem es sich hauptsächlich um das Wetter drehte. Dann wanderten wir in den Schloßpark. Ich setzte Jakob auf den Boden und ging pfeifend zur Gärtnerei. Er kam hinterher, teils laufend, teils hüpfflatternd, manchmal ärgerlich schimpfend, wenn ich ihm zu schnell ging. An sich war ich ihm immer noch etwas böse, wegen der Maulwurfsgrille.
Bei Manek, der vor mir die Mütze zog und den ich jovial begrüßte, nahm ich ein paar dicke Stachelbeeren, und dann kroch ich durch die Hecke auf den Acker, der an die Gärtnerei grenzte. Dort war gleich vom ein Streifen Brachland, auf dem sich Jakob besonders gern auf hielt, weil es da so viel zu wühlen und zu jagen gab. Ich setzte mich auf einen Stein am Rand und starrte auf die Erde. Das machte ich manchmal gem. Ich sah mir dann jedes bißchen an, jeden einzelnen Kiesel, jeden Halm, jede Wurzel, jeden Riß in der Erde und jedes Insekt. Und je länger man sich die Erde so ganz genau ansah, desto interessanter wurde es.
Plötzlich war über mir ein Krächzen. Ein Geschwader von vier Krähen kam durch die Luft gepumpt, schlug einen Kreis über mir, beäugte sich im Tiefflug Jakob und ließ sich dann ein paar Meter von ihm entfernt in den Ackerfurchen nieder. Jakob saß wie versteinert. Dann ging er ganz vorsichtig an seine großen Verwandten heran. Die hackten emsig und sehr sachlich mit ihren Schnäbeln, watschelten auch ein paar Schritte, sahen sich um und holten wieder etwas aus dem Boden. Jetzt war Jakob nur noch einen Meter von der vordersten entfernt. Mit langem Hals beäugte er, was sie da fraß. Dann nahm er selbst etwas und versuchte, mit einem unverbindlichen »Tschack-tschack-kraaoooo« eine Unterhaltung anzufangen. Die Krähe hob den Kopf, maß ihn mit einem kurzen Blick, stieß ein tiefes, heiseres »Kark!« aus und ging weiter. Jakob hüpfte dienstfertig neben ihr dahin. Als sie erneut den Kopf senkte, um etwas aufzuzwicken, steckte auch er den Schnabel dazu, ungemeines Interesse an diesem Fund heuchelnd. Sie schluckte ihn herunter und gab ihm dann so ganz nebenbei einen Schnabelhieb über den Rücken. Er sprang zur Seite, schrie kurz auf, blieb aber dann sitzen, putzte sich das Gefieder, kratzte sich hinter dem Ohr und gab auf alle mögliche Weise zu erkennen, daß es ihm nur um die Unterhaltung ginge, daß er auf gar keinen Fall — um Gottes willen, niemals! — die Absicht habe, der Frau Tante etwa einen Wurm streitig zu machen. Zwei andere Krähen kamen herangewatschelt und sahen ihn sich ebenfalls an. Er imponierte ihnen offensichtlich gar nicht. Dann gab die vierte ein Signal, und plötzlich erhoben sich alle mit schwerem Flügelschlagen und strichen gegen den Wald ab. Das Jaköbchen blieb zurück. Er pumpte mit den Flügeln, er stieg gackernd in die Höhe, höher, als ich ihn jemals hatte fliegen sehen, mindestens zehn Meter hoch, zu mehr aber langte es nicht mit seinen gestutzten Flügeln. Und er landete in einem elenden Sturzflug im Acker.
Ich rannte zu ihm. Mein ganzer Zorn über die Maulwurfsgrille war verflogen: »Ach... mein Jaköbchen, mein armes Jaköbchen!« sagte ich und nahm ihn in die Hand. Sein Herz schlug wie rasend, immer noch machte er einen dünnen Hals, pumpte mit den Flügeln und folgte mit den Augen sehnsüchtig den vier Schatten, die über den fernen Wipfeln kreisten.
Ich war zunächst ratlos. Dann fand ich, ich sollte ihn aufheben und wegtragen, ins Haus zurück. — Ja, das war das beste. Da sah er eine Weile den Himmel nicht, der ihm durch uns Menschen versagt wurde, obwohl er doch seine Heimat war...
DER FORSTRAT
Innen im Schloß war große Aufregung. Alles rannte durcheinander, ohne daß ich zunächst erfahren konnte, worum es eigentlich ging. Schließlich lief ich der Mama in die Arme. Sie hielt mich gleich fest:
»Du darfst morgen nachmittag auf keinen Fall weggehen! Gleich nach dem Essen wäschst du
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