Gute Nacht, mein Geliebter
Mutter behauptete, sie habe es ihm angesehen, lange bevor sie ihn richtig kennen gelernt habe.
»Ich will dir keinen Kummer bereiten, meine Kleine, aber du musst darauf gefasst sein, der stärkere Partner in eurer Ehe zu sein.«
»Aber Mama … Wie kannst du nur so etwas sagen?«
»Eine Mutter sieht so etwas«, hatte sie etwas kryptisch geantwortet.
Eine Mutter sieht so etwas. Berit war doch auch Mutter, was sah sie selber bei Jörgen und Jens und ihren Freundinnen? Wer war bei ihnen der schwächere Part?
Im Großen und Ganzen hatte Berits Mutter jedenfalls Recht behalten, zum Beispiel als die Jungen geboren wurden … Tor war mit ihr ins Krankenhaus gefahren, hatte es aber nicht über sich gebracht, dort zu bleiben und zu warten. Der Krankenhausgeruch fraß sich in seine Schleimhäute, ließ ihn erblassen, ihm wurde übel. Alleine hatte sie dort liegen und sich durch die langen und qualvollen Stunden kämpfen müssen, und dann, als es vorbei war, konnte die Hebamme ihn nicht zu Hause erreichen.
Später hatte er erklärt, er sei die ganze Nacht herumgeirrt und habe an sie gedacht, deutlich und intensiv habe er ihr Bild heraufbeschworen, um ihr Kraft zu geben, das müsse sie doch gespürt haben. Oder etwa nicht?
Und später, als die beiden die Masern bekamen und die ganzen anderen Kinderkrankheiten – Jörgen hatte im Übrigen ständig etwas an den Ohren – wer durfte dann alles ausbaden? Sicherlich war Berit in den ersten Jahren mit ihnen zu Hause gewesen, aber sie hätte durchaus ein wenig Entlastung gebrauchen können. Aber nein. Er schob sogar noch Krankheiten vor und wäre wohl in dieser Zeit am liebsten in ein Hotel gezogen, wenn es nicht allzu erbärmlich ausgesehen hätte.
»Männer, die wirklich zählen«, pflegte ihre Mama zu sagen und bekam dabei einen ganz besonderen Gesichtsausdruck.
Berits Vater baute Gurken an.
Sie stieg aus der Badewanne und trocknete sich sorgfältig ab. Es war neun Uhr. Sie konnte genauso gut direkt den Schlafanzug anziehen und sich hinlegen. Ihr war jetzt etwas wärmer geworden, und es würde das Beste sein, sich hinzulegen, ehe die Kälte zurückkehrte.
»Tor, ich gehe schon einmal ins Bett«, rief sie. »Du bleibst doch bestimmt noch etwas auf, oder?«
»Ja, der Abend hat ja gerade erst begonnen!«
Er stand in der Tür, sie hüllte sich in das Badelaken, scheu.
»Du wirst doch nicht etwa krank?«
»Natürlich nicht«, fuhr sie auf. »Ich bin nur müde. Es ist ein total beschissener Tag gewesen.«
Da überraschte er sie damit, dass er das Badezimmer betrat und sanft und vorsichtig ihr Handtuch löste. Er sah sie an, nahm seine Brille ab.
»Was ist denn?«, fragte sie gereizt.
»Wenn ich so darüber nachdenke, könnte ich eigentlich auch ins Bett gehen.«
Wollte er jetzt etwa mit ihr schlafen? Das konnte sie nicht. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie sich nicht mehr daran erinnerte, wann sie zuletzt miteinander geschlafen hatten.
Sie lag auf dem Rücken und wartete, während er die Runde durchs Haus machte und überall das Licht löschte. Die Spülmaschine begann zu laufen, ach genau, sie war randvoll. Sie hatte ihren Trikotschlafanzug angezogen und die dicken, grauen Strümpfe. Dann kam er, und sie schloss die Augen und tat, als schlafe sie schon.
Er legte sich erst auf seine Seite, aber nach einer Weile schlug er ihre Decke zur Seite und rückte herüber.
»Tor … Ich will nicht.«
»Ich doch auch nicht«, sagte er.
Er klang verletzt, jetzt würde sie ein wenig schön Wetter machen müssen, um zu versuchen, ihn wieder zu besänftigen.
»Entschuldige«, flüsterte sie und drehte sich zu ihm um.
Nach einer Weile sagte sie: »Tor?«
»Ja.«
»Könntest du dir vorstellen, nach Luleå zu ziehen?«
Er kicherte trocken.
»Doch, im Ernst. Könntest du?«
»Ausgerechnet nach Luleå? Nein, beim besten Willen nicht.«
»Dann muss ich eben alleine umziehen, das heißt, falls ich auch in Zukunft arbeiten möchte. Curt will den ganzen Verlag dahin verlegen.«
Sein Arm fuhr aus dem Bettzeug, scharrte die Wand entlang und suchte, fand die Lampe. Er saß im Bett und schaute sie an, ohne sie richtig zu sehen, weil seine Brille auf der Kommode lag.
»Nach Luleå?«, sagte er, und in diesem Moment hatte sie ihn so satt, dass sie sich beherrschen musste, um nicht laut zu schreien.
»Ja! Nach Luleå! Er wird massenhaft Subventionen bekommen, er stammt von dort. Aus der Lappenhölle.«
»Berit …«
»So sieht es aus! Scheiße!«
»Wann hast du es
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