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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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erfahren?«
    »Er hat es uns am Montag gesagt. Aber du bist ja nicht zu Hause gewesen. Deshalb konnte ich es dir noch nicht erzählen.«
    »Werdet ihr entlassen?«
    »Aber nein. Das ist noch das Raffinierteste an der Sache, denn natürlich haben nur ein oder zwei von uns die Möglichkeit, mitzukommen. Da will doch keiner freiwillig hin.«
    »Aber braucht er euch denn nicht?«
    »Brauchen! Er wird sich bestimmt verkleinern. Und im Übrigen gibt es natürlich jede Menge Leute aus dem Norrland, die er anstellen kann. Wenn nötig. Falls er doch vorhaben sollte zu expandieren.«
    »Ihr müsst mit der Gewerkschaft sprechen, Berit. Damit kommt er nicht durch, nicht ohne Mitbestimmung und Abfindung, für so etwas gibt es Bestimmungen.«
    Sie schnaubte und setzte die Füße auf den Boden.
    »Gewerkschaft! Glaubst du wirklich, einer von uns ist in der Gewerkschaft! Das ist nicht üblich in dieser Branche, verstehst du.«
    Er sagte:
    »Wir gehen runter und reden darüber. Wir gehen runter und genehmigen uns einen Kognak.«
     
    Er zündete ein Feuer an und breitete eine Decke über sie, reichte ihr den Kognakschwenker.
    »Das ist ja vielleicht ein Ding«, sagte er schließlich. »Luleå!«
    »Ich werde arbeitslos, Tor. Im Alter von fünfundvierzig, fast sechsundvierzig Jahren.«
    »Dann wirst du wohl wieder Hausfrau werden müssen.«
    »Nie im Leben!«
    »Dann bräuchte man zumindest keine Tiefkühlpizzen mehr essen …«
    »Wie meinst du das, stimmte mit der Pizza vielleicht was nicht?«
    »Das brauchst du mich nicht zu fragen.«
    »Ich hatte keinen richtigen Hunger«, sagte sie und nippte an ihrem Kognak. »Vielleicht kannst du das verstehen unter diesen Umständen.«
    »Berit«, sagte er sanft. »Du darfst jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen. Du bist immer noch jung. Du musst dich jetzt schon nach etwas anderem umsehen. Es wird schon klappen.«
    »Weißt du eigentlich, wie hoch die Arbeitslosigkeit in diesem Land ist? Bekommst du das überhaupt mit? Heute erst habe ich von einem jungen Mann gelesen, fünfundzwanzig Jahre alt, der arbeitslos ist, seit er die Technische Hochschule abgeschlossen hat. Ein gut ausgebildeter, hoch qualifizierter Mann, der sich auf massenhaft Stellen beworben hat, er hatte einen ganzen Ordner voller Ablehnungen … oder wie heißt das noch, Absagen. Mehr als vierzig Absagen von verschiedenen Stellen, auf die er sich im ganzen Land beworben hat. Sogar in Luleå, mein Lieber.«
    »Hör zu, mach jetzt nicht aus einer Mücke einen Elefanten, nicht bevor du dich vergewissert hast, dass es wirklich so schlecht steht, wie du befürchtest.«
    Sie leerten ihre Gläser und gingen wieder hinauf in ihr Schlafzimmer. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Er legte sich auf seine Seite, strich ihr kurz über die Wange »Da ist noch etwas«, flüsterte sie. »Eine Sache, die mir wirklich furchtbare Angst macht.«
    Er murmelte leise etwas, hatte sich schon in Schlafstellung begeben.
    »Weißt du, als ich am Samstag in Hässelby war, als ich so spät nach Hause kam. Diese frühere Klassenkameradin, von der ich dir erzählt habe … die mit dem französischen Namen …«
     
    Was war mit ihr gewesen, warum war es gekommen, wie es kam? Was machte ein Kind zu einem Opfer?
    Und was war mit mir los? Woher kam diese Grausamkeit?
    Kinder müssen gleich sein, aber da war die Sache mit ihrer Mutter, das trennte sie von uns. Sie hatte keine richtige Mutter. Ihre Mutter war auf irgendeine mystische Art und Weise in ihrem Haus gestorben, als Justine noch klein war. Dann hatte ihr Vater wieder geheiratet, seine Sekretärin, es wurde natürlich geredet, wir müssen es von den Erwachsenen aufgeschnappt haben, beim Kaffeekränzchen im Wohnzimmer. Es war in der Grundschule, in der ersten Klasse, wir gingen damals in dieses Backsteinhaus … Justine saß neben mir, ich hatte neben Jill sitzen wollen, aber es gab irgendein Missverständnis. Unsere Lehrerin sagte, ja, so ist es gut, Mädchen, so bleibt ihr sitzen. Justine war hässlich und dünn wie ein Fisch. Aber das waren wir wahrscheinlich alle …? Sie hing wie eine Klette an mir. Nur weil wir zufällig nebeneinander saßen, dachte sie, dass wir auch die besten Freundinnen sein würden. Ich glaube, dass ich ihr sofort klarzumachen versuchte, dass daraus nichts würde, aber sie war irgendwie schwer von Begriff, sie kapierte es nicht, jeder normale Mensch hätte es kapiert, sie nicht. In den Pausen klammerte sie sich an Jill und mich, was sollen wir jetzt spielen, darf ich mitmachen. Wir

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