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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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sie sahen. Sie wusste, dass es ihnen eines Tages gelingen würde, und das gab ihr die Kraft zu fliehen.
    Aber Gerda mit den kräftigen, langen Beinen. Ganz nah jetzt bei ihr, warf sie um. Sie schrie und wehrte sich, Glattes und Festes unter ihren Nägeln.
    »Schau mal, wie sie dich gekratzt hat«, schrie Berit. »Das Blut läuft dir den Hals runter.«
    Gerda saß auf ihrem Bauch, ihre Arme lagen festgeklemmt unter dem Rücken. Sie gab ihr Ohrfeigen, eins, zwei, eins, zwei. Die Jacke wurde ihr über den Kopf gezogen, dort verknotet. Sie machten etwas mit ihrer Hose, harter Untergrund und eisige Kälte.
    Da war es, als würde sie von der Kraft eines wilden Tieres erfasst, und sie wälzte sich abrupt zur Seite. Als sie weglaufen und gleichzeitig ihre Kleider in Ordnung bringen wollte, verdrehte sich ihr Knöchel, und sie fiel hin. In der Dunkelheit sah sie die Augen der anderen, wie sie weiß wurden und entglitten.
     
    Flora fand sie. Zwei Mädchen waren zu ihr nach Hause gekommen und hatten geklingelt. Justine ist auf dem Berg gestürzt. Sie griff sich ihren Mantel und kam.
    »Ich habe meinen Mantel genommen und bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Warum lauft ihr auch hier auf dem Berg herum?«
    Justine war aufgewacht. Sie war liegen geblieben und hatte in den diesigen Himmel hinaufgeschaut, sie konnte nicht gehen.
    So jemand wie Flora? Wie sollte sie ihr helfen können?
    »Ihr müsst mir helfen, sie zu tragen, Mädchen. Ihr nehmt die Beine, und ich packe sie an den Schultern.«
    Als die Mädchen sie wieder anfassten, begann sie zu frieren.
    Gerda und Berit fielen sich gegenseitig ins Wort.
    »Wir waren hier unten und haben gespielt und plötzlich, da ist Justine ausgerutscht und hingefallen, und wir haben totale Angst bekommen, denn sie wurde so komisch, hat irgendwie nicht geantwortet, und da haben wir uns gesagt, am besten, wir laufen nach Hause zu Justines Mama, und da sind wir sicherheitshalber zusammengelaufen, wir zwei, und Evy sollte hier warten.«
    »Dich kenne ich gar nicht«, sagte Flora und betrachtete Gerda neugierig.
    »Nein, ich bin ein Pflegekind, ich wohne bei Östmans.«
    »Ach so, da. Und deine richtigen Eltern?«
    »Sie haben sich scheiden lassen, keiner von ihnen kann sich um mich kümmern.«
    »Nicht?« Flora klang amüsiert.
    Sie trugen Justine ins Haus, legten sie auf den blauen Teppich. Sie sahen Justine nicht an, sagten, dass sie jetzt nach Hause laufen müssten, dass es Zeit zum Abendessen sei.
    »Lauft ruhig«, sagte Flora.
    Als Papa an diesem Abend nach Hause kam, verfrachtete er Justine ins Auto und fuhr mit ihr ins Krankenhaus.
    Sie lag auf dem Rücksitz, und Flora saß ihr zugewandt und hielt ihre Hand.
    »Sie spielen und toben herum wie Kälber auf der Weide«, sagte sie. »Sind sie nicht allmählich etwas zu groß dafür?«
    Papa schwieg, er fuhr wie ein Irrer über die Tranebergsbrücke. Am Krankenhaus angekommen hob er sie hoch und trug sie den ganzen Weg ins Krankenhaus.
     
    Der Knöchel war gebrochen. Das Bein wurde bis zum Knie eingegipst. Sie fühlte sich schwer und glücklich.
    »In den kommenden sechs Wochen muss sich das Mädchen möglichst ruhig verhalten.«
    Papa sagte: »Ich besorge einen Aushilfslehrer für sie. Es sind sowieso bald Sommerferien.«
    Flora: »Ansonsten kann ich sie ja auch unterrichten.«
    Papa: »Das kannst du bestimmt. Aber ich kenne einen jungen Mann, der gerade Zeit hat. Mark, der Sohn meines Cousins Percy. Ich gebe ihm etwas Geld dafür, dass er jeden Tag ein paar Stunden zu uns kommt.«
     
    Marks Eltern waren Diplomaten. Sie hatten mehrere Jahre in Washington verbracht, waren aber soeben nach Stockholm zurückgekehrt. Wo sie demnächst landen würden, stand noch nicht fest.
    Mark tauchte schon am nächsten Tag mit einem Strauß gelber Tulpen auf.
    »Für die Kranke«, sagte er und betrat vorsichtig das Zimmer. Er war schlank und nicht besonders groß, seine Hände kalt von Feuchtigkeit. Seine Augen waren braun wie Nüsse.
    »Was willst du lernen, Kusine zweiten Grades«, fragte er mit der Stimme eines Erwachsenen.
    »Zweiten Grades?« Sie saß im Bett, an die Wand gelehnt, die Beine ausgestreckt und steif.
    »Du und ich sind Kinder zweier Personen, die Cousins sind. Dein Papa und meiner. Das nennt man dann zweiten Grades.«
    Sie fand, dass es seltsam klang. Das ignorierte er.
    »Wie gesagt«, sagte er. »Sag schon. Was willst du jetzt lernen?«
    Plötzlich wurde sie verwegen.
    »Nichts, ich kann schon alles.«
    »Really?«
    »Nein … war nur

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