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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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ein Witz …«
    Mark suchte aus seiner Rocktasche ein Buch hervor. Blätterte darin, schlug es auf. Die Schrift war klein und eng gedruckt, alles schien ineinander zu fließen.
    »Du kannst diesen Abschnitt hier auf Englisch lesen. Dann frage ich dich anschließend die Vokabeln ab.«
    Sie wurde rot, konnte die Worte nicht mehr aussprechen, weder auf Schwedisch noch auf Englisch.
    Er lächelte spöttisch.
    »Es stimmt anscheinend, was man so über die schwedische Schule sagt. Sie ist einfach nur shit.«
    »Ich habe Schmerzen im Fuß«, flüsterte sie.
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Es ist aber wahr!«
    »Wo tut es denn weh, wo genau?«
    Sie zeigte auf den Gips. Da schlug er den Saum des Rocks um und umfasste mit seinen Handflächen ihr Bein, gleich oberhalb des Knies.
     
    Als er gegangen war, machte sie das Gleiche wie er, legte ihre Hand auf die gleiche Stelle. Sie führte die Hand langsam aufwärts, bis zwischen ihren Beinen eine heiße und schmerzende Schwellung entstand. Ein Schmerz, der pulsierte und ins Gehirn fuhr.

16. KAPITEL
    Schon am nächsten Samstag fuhr Berit wieder nach Hässelby. Sie hatte eine Flasche Rioja und einen Topf mit keimenden Krokussen gekauft, sie hatte nicht angerufen, bevor sie fuhr, sich einfach auf den Weg gemacht.
    Es war ein nebelverhangener Tag. Sie nahm nicht den Bus, beschloss stattdessen, von der Endhaltestelle der U-Bahn aus zu gehen, nahm den Weg am Ufer entlang. Ihre Angst wuchs, doch sie sah keinen anderen Weg, als sich wieder mit Justine zu konfrontieren.
    In dieser Nacht hatte sie geträumt, Tor hätte sie geschüttelt, sie solle aufwachen.
    »Hast du schlecht geträumt?«, hatte er gefragt. »Oder ist es dein Chef?«
    Es war etwas mit einem Verlagsfest gewesen. Alle waren gekommen, wie man so sagt, erstaunlicherweise auch Justine. Im Traum trug Berit ein allzu elegantes Kleid, hinten wie vorne tief ausgeschnitten. Nichts war, wie es sein sollte. Sie schlenderte umher und versuchte, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, aber es war, als würde sie von niemand gesehen.
    Vielleicht lag es an den Valiumtabletten, sie nahm sie jetzt immer, bevor sie zu Bett ging, es fiel ihr inzwischen schwer, ohne sie einzuschlafen. Vielleicht lag es aber auch an all dem Vergangenen, ihrer Kindheit.
    Tor schlug ihr vor, ihn nach Vätö zu begleiten, er wollte hinfahren und über Nacht bleiben, er meinte, es werde ihr gut tun. Die frische Meeresluft.
    »Ich kann Blinis machen. Wir haben doch noch Kaviar in der Tiefkühltruhe, oder nicht?«
    »Ich will nicht«, sagte sie. »Ich kann jetzt nicht, ich will nicht.«
     
    Auf dem Eis schwamm eine dünne Schicht aus Wasser. Ein paar Enten flogen herbei, landeten auf dem Eis und rutschten ein Stück, ehe sie zum Stehen kamen. Ein altertümlicher Kutter lag am Pier vertäut, wo das Wasser wegen der Abwasser vom Heizkraftwerk nie fror. Ein paar dunkel gekleidete Männer auf dem Kai. Verschwommen konnte sie den Namen des Segelschiffs entziffern, Sir William Archibald aus Stockholm.
    Dann: ein entferntes Geräusch, das langsam lauter wurde. Der schmetternde Lärm eines Hubschraubers. Der Nebel war zu dicht, um ihn schon erkennen zu können, aber er kam näher und näher.
    Sie konnte das Geräusch eines Hubschraubers nicht mehr hören, ohne sich an eine Vorstellung von Miss Saigon zu erinnern, die sie in London zusammen mit ein paar Freundinnen besucht hatte. Sie saßen auf den besten Plätzen, hatten aber fast etwas Angst bekommen angesichts des überraschend lauten Motorengeräuschs des Hubschraubers in der Eingangsszene. Sie erinnerte sich an das Ende, den fallenden Vorhang, das grelle Licht direkt in die Augen, viele hatten geweint, sentimental, schon wahr, aber so unendlich traurig.
    Nachher waren sie in ein Pub gegangen, dort war Berit mit einem hübschen, arbeitslosen Jüngling ins Gespräch gekommen, der sich nicht davon abbringen ließ, sie »Mum« zu nennen.
    Dort, in diesem Pub, hatte sie Spaß daran gefunden, hatte mitgespielt und sich über ihren großen Wortschatz gewundert. Am nächsten Morgen hatte sie vor allem Lust, nach Hause zu fahren.
    Jetzt, einige Meter über ihr am Himmel, ahnte sie zwei Scheinwerfer, und das Geräusch war jetzt sehr nah. Sie wurde plötzlich von Panik erfasst – wenn er sie nun nicht sah, wenn er vorhatte, gerade hier zu landen? Sie lief ein paar Schritte in die Schneehaufen hinein.
    Die große Maschine glitt in so geringer Entfernung an ihr vorbei, dass Wassertropfen von den Bäumen geschüttelt wurden und

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