Gute Nacht, mein Geliebter
durcheinander.
»Was kann ich machen?«
»Da kann man nichts machen. Das ist einfach so!«
»Wie dumm du bist!«
»Wie geht es deinem Fuß? Wird der auch mal wieder gesund?«
»Das wird er schon noch.«
»Wie ist das eigentlich passiert?«
»Bin gestolpert. Auf den Felsen.«
»Du musst eben ordentlich gehen.«
»Ich bin ordentlich gegangen. Aber ich bin ausgerutscht.«
Nein. Sie war überhaupt nicht zu klein. Abends lag sie mit dem Gesicht zur Wand und malte sich aus, wie es sein könnte. Mark und sie, auf eine ganz andere Weise. Sie tastete ihre Brüste ab, ob sie gewachsen waren, und ihre Hand bewegte sich unmerklich zu jener sündigen Stelle hinab, deren Berührung so atemberaubend schön war. Rastlosigkeit überkam sie, sie wollte raus, fort. Aber der Gips war wie eine Fessel, er schützte sie zwar vor allem, was da draußen war, machte sie aber gleichzeitig zu einer Gefangenen. Dann, eines Tages, als der Winter vollends vertrieben worden war, nahm man ihr den Gips ab, sägte und schnitt. Ein kraftloses und verkümmertes Bein tauchte auf, ein säuerlicher Geruch.
Aber sie war genesen. Und jetzt war die Schule vorbei, und der Schulhof hatte sich mit Schülern in farbenfrohen Kleidern gefüllt, die Lehrerinnen waren beim Friseur gewesen, die Flagge war hervorgeholt und gehisst worden.
All dem war sie aus dem Weg gegangen.
Sie dachte, dass es schwer sein würde, dieses streichholzdünne Bein zu benutzen, entdeckte aber, dass es letztlich so kräftig war wie zuvor. Abends schwoll das Gelenk manchmal an und schmerzte. Aber gehen und laufen konnte sie wie zuvor.
Sie stand im Schutz des umgestürzten Baums. Bonbonpapiere lagen auf der Erde.
Sie war allein.
Sie folgte den Wegen.
Der Jäger saß auf der Treppe vor seinem Haus und schnitzte etwas aus einem Stück Holz.
Scheu trat sie auf den Hof.
Er sah sie. Er schwieg.
Sie setzte sich neben ihn, sein Rücken war gespannt, seine Hände, die schnitzten und schnitzten.
Sie saß neben ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. Die Haut war braun und alt.
Nein.
Nicht alt.
Sie ging in seine blitzsaubere Küche, das Wachstuch abgewischt, die Spüle blinkend, der Fußboden weiß und geputzt.
Da stand er auf und kam ihr nach.
»Was willst du hier?«
»Entschuldige«, flüsterte sie. »Ich konnte nichts dafür.«
»Ich möchte, dass du gehst.«
»Nein …«
»Ich möchte, dass du auf der Stelle gehst.«
Er stand mit dem Gesicht zur Wand. Sie ging zu ihm, ihre Hüften am Stoff seiner Jeans.
»Stina!«
»Umarme mich, ich bin so allein gewesen.«
Sie schloss seine Tür und verriegelte sie. Sie legte sich auf seine Bettdecke. Sie war grau und noch warm von der Katze. Sie zog die Knie an den Körper, machte sich rund.
Sein Körper wie ein Schattenriss vor dem Fenster.
»Ich hatte mir das Bein gebrochen«, flüsterte sie, obwohl sie es ihm eigentlich nicht sagen wollte.
»Stina …«
»Komm, leg dich zu mir, wärme mich.«
»Ich hab gesagt, ich möchte, dass du gehst.«
»Sei still!«, flüsterte sie.
Ihr Kinn an seiner Brust, die kurzen, gelockten Haare. Der Geschmack von Luft, von Salz. Ihre Hände waren jetzt so stark, sie war jung, er war alt. Oh, sein Bauch, ausgeliefert und weich, wie sie ihre Zunge in ihn tauchte, die Lippen.
Dann.
Der Mann.
Sie brachte ihn zum Weinen. Das machte ihr Angst. Als er ihre Angst sah, wurde er wieder stark, und er hielt sie gegen seine Mitte, so dass ihre Beine sich hinter seinem Rücken verschränkten.
»Stina«, flüsterte er. »Weißt du eigentlich, dass das verboten ist?«
»Wer sagt das?«
Und sie senkte sich auf ihn herab, und sie machten es noch einmal, er bewegte sich in ihr, und sie wand sich, aber ließ ihn bleiben, wo er war.
Nachher bereute er es immer.
Sie musste ihn streicheln und nach Worten suchen, sie musste weinen und ihn wieder öffnen.
»Ich werde wieder zu dir kommen, ich werde dich nie verlassen.«
Tag für Tag. Der umgestürzte Baum. Das Haus.
Es kam vor, dass er abschloss und nicht da war. Sie wartete auf dem Hof. Dann lernte sie, das Scharnier des Fensters aufzubrechen. Sie lag in seinen Laken, sein Duft legte sich an ihre Lenden.
Ein kalter Lufthauch. Er stand im Licht, die Decke in seiner Hand. Sein Gesicht wandte sich von ihr ab.
Mit den Händen auf den Tisch hämmernd: Nein!
»Das darfst du nicht«, flüsterte sie, und ihr Mund und ihr Kiefer schmerzten. »Du darfst mich nicht rausschmeißen.«
Nackt auf seinem Schoß, die Nähte der Jeans. Ein Tag, an dem
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