Gute Nacht, mein Geliebter
ihm kroch, die ich mich öffnete wie in Krämpfen.
Sie saß in ihrem verknitterten Hemd im Bett. Der Mund offen, die Zunge so zerbissen, dass sie blutete. Sie hatte geschrien, wir erwachten von ihrem Schrei.
Sven sagte, nein, er fuhr mich an:
»Setz Wasser auf und hol Handtücher, beeil dich!«
So wäre es sicher nicht gewesen.
Es war zu spät, um noch ins Krankenhaus zu fahren.
Ich sagte:
»Wenn wir das nun nicht schaffen …«
Das machte ihn rasend.
Ich sagte noch einmal:
»So junge Mädchen … ihre Becken …«
Da zog er mich in die Küche hinaus, und sein Gesicht war wie eine Maske.
Sie kämpfte bis zur Morgendämmerung, schrie und wand sich.
Flora hörte, dass Sven betete.
Sie hatte aufgehört, sich ihm zu widersetzen, aber sie betrachtete die Hüften des Mädchens, so schmal und unentwickelt.
Wenn das Baby stecken bleibt, ist das unsere Schuld. Wenn sie mit dem Kind in ihrem Bauch stirbt, wird man uns bestrafen.
Aber sie starb nicht, sie stand es durch.
Das Kind lag auf dem Laken, und es war ein sehr kleiner Junge.
Sven nahm die Schere, schnitt zwischen Häuten und Blut. Gab ihr den Klumpen, der ein neugeborenes Kind war.
Ich fühlte den warmen Körper, er zuckte, rang nach Luft, und dann schrie er, sein Kinn zitterte, die Nase war breit und platt. Ich senkte ihn ins Waschbecken hinab, und das Wasser wurde trüb von seinem Blut. Ich wusch seine Hände, er hielt sie fest geschlossen, ich musste sie aufbiegen, und in den Handflächen sah ich tiefe Furchen und Linien. Der Hodensack war geschwollen und groß, das Glied wie ein Fühler. Seine Haare waren dunkel, seine Augen trüb. Ich säuberte ihn von ihrem Blut und ihren Flüssigkeiten, ich hüllte ihn in ein Tuch. Er hatte aufgehört zu weinen, sein Gesicht hatte die Form eines Herzens. Die kleine, fein gezeichnete Oberlippe, wie sie sich zu meiner Fingerspitze drehte, ich setzte mich hin, ich zog meine Bluse hoch, der harte, gierige Gaumen.
Sven stand in der Tür. Er sah mich, drehte sich um und ging.
Sie streckte mir die Arme entgegen, um ihn zu nehmen. Ich sagte, du bist müde. Du könntest auf ihm einschlafen, so dass er erstickt. Sieh ihn an, willst du auf diesem schönen, kleinen Gesicht eines Jüngleins einschlafen?
Sie war dünn, und es floss viel Blut.
Ich legte ihn an ihre Brust, aber er schrie und fuchtelte mit seinen kleinen, verkümmerten Armen. Er war hungrig. Das war ein gutes Zeichen. Aber sie war zu jung, sie hatte keine Milch für ihn. Sven musste sich auf den Weg machen und ein Fläschchen und ein Paket mit Muttermilchersatz besorgen. Der Junge war schwer, er lag auf meinem Schoß, ich war es, die ihm das Saugen beibrachte. Jedes Mal, wenn sie ihn anfasste, schrie er. Sie war zu jung, sie war selbst nicht mehr als ein Kind.
Dann geschah das Grauenhafte, der Junge hörte auf zu essen. Was macht man mit einem Kind, das nicht isst? Sie saß mit einem Löffel bei ihm, schob seinen kleinen Mund auf, was reinging, lief wieder heraus und hinter seinen Ohren hinab. Sie gab ihn dem Mädchen. Wärm du ihn, wenn du kannst. Aber das Mädchen befand sich jetzt in einem Dämmerzustand und bekam überhaupt nichts mehr mit.
Das Kind lebte vier Tage. Dann war nichts mehr zu machen.
Sie wickelte es in ein Leinentuch. Sven kam mit einem Karton, es waren Schuhe darin gewesen.
Das Kind war klein. Es war zu früh gekommen.
Er erzählte nie, was er mit dem Karton gemacht hatte.
19. KAPITEL
Seine Eltern standen schon am Fenster, als er kam. Er konnte sie für einen Moment hinter den Gardinen erkennen, sah, wie sie sich zurückzogen, damit er sie nicht entdeckte. Er wurde ärgerlich, konnte das Gefühl nicht unterdrücken.
In der U-Bahn hatte er Tulpen und eine Schachtel Weinbrandbohnen gekauft. Was schenkt man einem alten Mann? Für Bücher hatte er sich nie interessiert.
Seine Mutter nahm ihm die Jacke ab.
»Geh mit Papa schon einmal rein und setz dich, das Essen ist in einer Minute fertig.«
Das ganze Haus roch gut. Sie hatte Rouladen gemacht, sie wusste, dass dies sein Leibgericht war. Und große Salzkartoffeln. Und Erbsen und Götterspeise.
Sein Vater nahm sich eine Portion.
»Wie läuft es denn bei dir?«, fragte er. »Ist viel los im Hotel?«
»Es ist ein bisschen stressig gewesen.«
»Aber du arbeitest doch weiterhin nur nachts?«
»Schon. Aber die Nächte können mal mehr, mal weniger anstrengend sein.«
»Das verstehe ich nicht. Schlafen eure Gäste nachts etwa nicht?«
»Aber Kjell, denk doch mal ein
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