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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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durch.
    »Wenn ich ehrlich bin, brauche ich einen Kaffee, um überhaupt wieder Mensch zu werden«, sagte sie. »Es ist gestern etwas spät geworden. Ich habe einen Kater.«
    Seine Hände zuckten, er blickte zu den Gläsern.
    »Was ist los, hast du noch nie einen Kater gehabt, Hans Peter?«
    »Doch, sicher. Aber es ist schon eine ganze Weile her.«
    »Ich mag es eigentlich nicht, der ganze nächste Tag ist mehr oder weniger im Eimer.«
    »Aber wenn man am Abend vorher seinen Spaß hatte,
dann …«
    »Nicht einmal dann mag ich es.«
    »Hast du eine Party gefeiert?«
    »Nein, das nicht gerade. Eine Freundin war zu Besuch. Ein Mädchen aus meiner Schulzeit, wir waren Klassenkameradinnen.«
    Er wurde von überschäumender Freude erfüllt, sein Bauch zog sich zusammen, sein Gesicht entspannte sich.
    »Jetzt setz dich doch mal hin«, sagte er. »Ich werde mir deinen Fuß ansehen.«
    Sie ließ die Arme hängen.
    »Willst du nicht?«
    »Doch …«
    »Mit Verstauchungen sollte man nicht scherzen.«
    »Können wir das nicht oben machen? Nimmst du das Tablett mit den Kaffeetassen?«
    »Und der Vogel? Wo ist der?«
    »Der hockt bestimmt irgendwo und döst.«
     
    Die Bibliothek war verstaubt und unaufgeräumt. Er sah die Ränder von Gläsern auf dem Tisch. Am Fenster stand ein kleiner Blumentopf mit Krokussen. Der Vogel war nirgends zu sehen.
    »Hier ist alles noch etwas durcheinander, wie du siehst«, sagte sie.
    »Das macht doch nichts. Du solltest erst einmal sehen, wie es bei mir zu Hause aussieht.«
    Er stellte das Tablett ab und zog die Stühle zusammen, so dass sie sich gegenüberstanden.
    Sie hatte sich die Zehennägel rot lackiert. Er sah es, als er die Socke ausgezogen und die elastische Binde abgewickelt hatte. Es zuckte in ihrem Fuß, sie sagte, sie sei kitzlig.
    Er sah die Abdrücke der Binde auf ihrer Haut. Sie glichen kleinen Wällen, und er folgte ihnen mit den Fingerspitzen, schloss seine Hand um ihre Ferse. Sie war weich und ohne raue Stellen.
    »Er kommt mir fast geschwollener vor als beim letzten Mal«, sagte er.
    »Ich habe ihn wohl zu sehr angestrengt. Das lässt sich kaum vermeiden.«
    »Vielleicht sollte der Verband nicht so eng sitzen.«
    »Nein, vielleicht nicht.«
    »Justine«, sagte er. »Darf ich dich etwas fragen? Einfach so. Hast du auch manchmal das Gefühl, dass das Leben an dir vorbeiläuft?«
    »Ja … Ich glaube schon.«
    »Wenn ich einmal nicht mehr bin … Kein Aas wird sich an mich erinnern oder wissen, wer ich war.«
    »Das wird bei mir nicht anders sein, denke ich.«
    »Du hast keine Kinder, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Die Leute werden sich deiner wenigstens als der Enkeltochter des Mannes erinnern, der den Sandy-Konzern gegründet hat.«
    Sie lächelte ein wenig, ihre Oberlippe war fein und graziös geschwungen, die Unterlippe rau.
    »Und?«, sagte sie. »So what?«
    »Nicht einmal, wenn man Kinder bekommen hat, ist es natürlich sicher, dass man im Gedächtnis haften bleibt. Aber man wäre doch zumindest so etwas wie ein Schöpfer gewesen. Ein Teil von einem würde irgendwie weiterleben … und so weiter bis in die nächste Generation, wenn auch nur ansatzweise.«
    »Man kann auch ein gutes Leben führen, ohne ein Schöpfer zu sein.«
    »Ja, das stimmt schon.«
    »Warum hast du keine Kinder bekommen?«
    »Es sollte wohl nicht sein.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich war längere Zeit verheiratet, aber, nein. Daraus wurde nichts. Sie hat später wieder geheiratet und einen ganzen Haufen Kinder bekommen. Vielleicht stimmt mit mir ja was nicht, vielleicht kann ich nicht.«
    Seine Hände hatten begonnen, sich über ihren Fußrücken zu bewegen. Sie machte keine Anstalten, den Fuß zurückzuziehen. Sein Mittelfinger schob sich unter die Kante der Strumpfhose. Er fühlte ihre Wade darunter, kühl und glatt an seinem Finger.
    »Und du?«, sagte er leise. »Warum hast du keine Kinder bekommen?«
    »Ich bekam einmal ein Kind. Es starb nach ein paar Tagen.«
    »Oh.«
    »Das ist schon so lange her.«
    Er zog seine Hände zurück, aber sie ließ ihren Fuß liegen. Mit den Zehen tippte sie ihn ein wenig an.
    »Es war schön, deine Hände zu spüren«, sagte sie. »Das hat mir gefallen.«
    Hans Peter lächelte sie an.
    »Übrigens, ich muss dir etwas erzählen, ich habe diese Nacht von dir geträumt.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »War es ein … schöner Traum?«
    »Offen gesagt, nein. Es war eher ein schlimmer Traum, in dem du zu Schaden gekommen bist.«
    Sie erstarrte.
    »Tatsächlich … Was

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