Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
Vom Netzwerk:
Aber ich fürchte, dass ihr bald noch viel nasser sein werdet.«
    Heinrich räusperte sich.
    »Tatsächlich?«
    »Ich hatte gehofft, dass es nicht nötig sein würde. Aber es gibt keinen anderen Weg. Wir müssen leider wieder über den Fluss, in der Nähe des Wasserfalls, und diesmal ist er richtig tief.«
     
    Sie hatte Angst vor Wasser, hatte panische Angst … davor, wie es in einen eindrang, einen hinabzog, einem die Luft nahm, davor, wie man kämpfte und schlug und vergaß, dass man tatsächlich schwimmen gelernt hatte, sie wollte nicht länger hier sein, sie wollte nicht mehr dabei sein …
    Sie sah Nathan an.
    Nein, dachte sie. Du wirst nie wieder sehen, dass ich hysterisch werde.
     
    Sie sagten nichts. Sie wanderten wortlos. Dann standen sie an der Stelle, wo sie hinüber mussten. Das Wasser hatte eine starke Strömung und war reißend, große Stämme und Äste trieben vorbei. Ein Stück stromabwärts stürzte es in einem donnernden Wasserfall herab, der alle anderen Geräusche verschluckte, und alles, was mitgespült worden war, in Stücke schlug.
    Sie mussten auf die andere Seite.
    Sie fühlte sich seltsam matt.
    Mahd befand sich schon auf der anderen Seite. Er war im Dschungel geboren, hier geboren und in die Lehre gegangen. Nichts fiel ihm schwer. Er hatte ein zähes und geglättetes Hanfseil über die Stromschnellen gespannt, das von Ufer zu Ufer verlief. Jetzt traten Ben und die Orang Aslis in den Fluss hinaus. Sie suchten sich einen festen Stand und hielten sich am Seil fest. Sie würden ihnen durch die Stromschnellen helfen, ihre Bremsklötze sein.
    Als Erster war Nathan an der Reihe.
    »Wish me luck!«, sagte er und zurrte das Kinnband seines Huts fest. Seine Augen waren blau und heiter.
    »Hier kommt nämlich ein Wikinger, und für einen schwedischen Wikinger ist nichts unmöglich!«
    Er stieg in das Wasser hinab und begann zielstrebig, sich vorwärts zu bewegen. Anfangs ging auch alles gut. Aber in der Mitte des Stroms rutschte er ab und geriet unter Wasser. Justine sah seine Knöchel, sie klammerten sich an das Seil. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, die Nägel bohrten sich in die Handflächen. Ja, jetzt sah sie ihn, er schnaubte und schüttelte seinen Kopf, anschließend gelangte er problemlos ans andere Ufer.
    Stand auf der anderen Seite und winkte mit beiden Armen. Schlug sich gegen die Brust wie Tarzan.
    Jetzt wurden die Rucksäcke auf die andere Seite geschickt. Die Männer im Wasser reichten sie mit der freien Hand von Mann zu Mann. Nathan stand am Ufer und nahm sie entgegen.
    »Willst du den Anfang machen, Justine?«, sagte Ben.
    »Ja.«
    Sie saß auf dem glatten Felsen und ließ sich ins Wasser gleiten. Es war tief. An den Zehenspitzen fühlte sie Felsblöcke. Aber das Wasser zog an ihren Beinen und zerrte sie von den Steinen. Ben ergriff ihre Hand, zeigte ihr, wie sie sich festhalten sollte. Sein Mund war wie ein Strich.
    »Was immer auch geschieht, lass niemals los!«
    Sie hörte das Donnern der Stromschnellen und des Wasserfalls.
    »Was passiert sonst?«
    »Still! Such mit den Füßen nach Halt.«
    Sie machte einen Schritt. Das Wasser umgab sie, wollte sie mitreißen. Sie machte sich schwer. Am Ufer sah sie Martina, sie lag auf den Knien mit ihrer vermaledeiten Kamera. Würde sie doch bloß mit ihr ins Wasser stürzen, sie verlieren, so dass sie weggespült wurde und verschwand.
    Noch ein Schritt. Ein Mann stand neben ihr, sie kroch unter seinen Armen hindurch. Das Wasser schäumte und brauste, noch ein Schritt, halt das Seil gut fest. Jetzt war sie gleich in der Mitte.
    »Gut, Justine!«, rief Nathan.
    Sie fühlte, wie ihr Herz schlug.
    An der gleichen Stelle, wo auch er gestürzt war, passierte ihr das Gleiche. Etwas war dort anders, es war zu tief bis zum Grund. Sie geriet mit dem Kopf unter Wasser, weiße und grüne Wirbel, die Hände krampfhaft um das Seil geschlossen. Das Wasser ergriff sie, zerrte und streckte sie, sie fühlte seine Kraft. Mit einer gewaltigen Anstrengung versetzte sie ihre rechte Hand und ließ die linke folgen. Ihr rechter Fuß fand einen Stein. Sie trat auf ihn und klammerte sich fest.
    »Nur noch ein kleines Stück, Justine, gleich bist du drüben!«
    Sie holte tief Luft, wieder ein Arm, unter dem sie herkriechen musste, wieder eine Sekunde Galgenfrist. Dann wieder hinaus und durch das letzte Stück. Nathan fing sie auf, sie stand auf, und das Wasser rann aus ihren Kleidern.
    »Ich habe es geschafft«, keuchte sie.
    »Ja!«, antwortete er, wandte sich aber

Weitere Kostenlose Bücher