Gute Nacht, mein Geliebter
schnell wieder dem Fluss zu. Der Nächste war dran.
Am Abend schlugen sie ihr Lager an einem breiten und steinigen Uferstreifen auf. Die Eingeborenen begannen unverzüglich, Haufen aus Reisig zu sammeln und ein Feuer anzuzünden. Martina wechselte den Film.
»Sie machen Feuer, um die Tiere fern zu halten«, sagte sie.
»The big mammals. Die Elefanten kommen hier ans Wasser, um zu trinken, wir haben da hinten drops gefunden, mehrere Haufen.«
»Müssen wir dann ausgerechnet hier lagern?«, fragte Stein.
»An ihrem geheimen Örtchen? Das ist den Elefanten gegenüber aber nicht besonders nett. Wir haben doch den ganzen Dschungel zu unserer Verfügung.«
»Wir können nicht mehr weiter, die Dunkelheit bricht herein«, sagte Ben.
Sie halfen sich gegenseitig, die Plastikplanen zu spannen. Mahd ging mit dem Fischnetz in den Fluss hinaus. Da erinnerte sich Justine an das Wildschwein.
»Und das Wildschwein, das wir geschossen haben?«, sagte sie.
»Seine Familie hat es bekommen. Er hat sechs kleine Kinder.«
»Wo ist seine Familie?«
»Irgendwo im Dschungel.«
Martina nahm ihr Handtuch und eine Plastiktüte mit Duschgel und Shampoo.
»Ich gehe runter und wasche mir den Dreck vom Leib, kommt ihr mit, Mädels? Auf zum Damenbad!«
Sie fanden eine kleine Bucht, in die das Wasser hineinfloss, so dass sich dort eine Art Lagune bildete. Justine zog ihren Badeanzug an. Katrin und Martina glitten nackt ins Wasser, sie waren glatt und glänzend wie Tiere.
»Oh, man sollte hier leben, man sollte zu einem Nomadenvolk gehören«, sagte Martina und goss sich etwas Shampoo in die hohle Hand. »Nichts mit der Zivilisation und ihren ganzen Forderungen zu tun haben, ganz und gar eins mit der Natur werden.«
»Aber so lebst du doch jetzt auch schon!«, sagte Katrin. »Du reist und ziehst doch durch die Welt.«
»Stimmt, irgendwie schon. Ich werde mir nie einen ganz normalen Job suchen. Ich werde mich niemals irgendwo niederlassen, niemals. Ich suche ständig nach Neuem. Neuen Erlebnissen, neuen Menschen.«
»Wir sind auch viel gereist, Stephan und ich. Aber sobald wir nach Hause kommen, werden wir heiraten und Kinder bekommen.«
»Wir auch«, sagte Justine. »Wir werden auch heiraten und Kinder bekommen.«
Martina stieg gerade wieder aus dem Wasser. Ein Blatt klebte auf ihrem Bauch, gleich oberhalb des dunklen Felds aus Haaren.
Sie schlang ihr Handtuch um sich.
»Nathan und du?«
»Ja.«
»Ich habe gedacht, er will sich nicht mehr binden.«
Ihr pochte das Herz bis zum Hals.
»Was weißt du denn davon?«
»Ach, nichts. Es war nur so ein Gedanke.«
Es wurde wieder Morgen. Von Heinrich hatte sie eine Schlaftablette bekommen. Sie war fast augenblicklich eingeschlafen. Während der Nacht war sie mehrmals aufgewacht und hatte im Halbschlaf an die Elefanten gedacht. Einmal glaubte sie sogar, ein entferntes Trompeten zu hören. Als sie sah, dass von den Feuerstellen Rauch aufstieg, schlief sie wieder ein.
Sie aßen Fisch und gebratenen Reis. Nathan war braun gebrannt, seine Augen waren wie blaue Steine. Er sah sie mit diesen Augen an, er sagte:
»Wir werden zu den Elefanten gehen.«
Druck auf ihren Ohren, wie Schmerz.
»Warum denn das?«
»Martina will versuchen, sie zu fotografieren. Jeda und ich gehen mit.«
»Wer ist Jeda?«
»Der da hinten in dem grünen Pullover.«
Er war aufgestanden, die kurzen, goldenen Härchen auf seinen Beinen, er sagte:
»Martina und ich machen uns mit Jeda auf den Weg. Er zeigt uns die Elefanten. Mehr können leider nicht mitkommen. Wir erschrecken sie sonst.«
Die Worte drangen in sie ein, lösten sich auf.
Martina war schon fertig. Die Kamera hing über ihrer Schulter.
Bis Mittag blieben sie fort. Als Justine sie zwischen den Bäumen zurückkommen sah, wusste sie, dass es aus war.
Eine Wurzel aus Kälte wuchs in ihr, aus der Rundung ihrer Fersen, durch Becken und Brust direkt in ihr Gehirn. Sie konnte nicht mehr sprechen.
Sie wartete. Es geschah etwas mit ihrer Haut, sie hatte das Gefühl zu schrumpfen. Ein pochender Schmerz im Gehirn, als säße dort etwas zu eng.
Nathan ging fort, am Fluss entlang. Er ging, um seine Notdurft zu verrichten. Niemand sah, dass sie Mahds Blasrohr nahm. Niemand sah, wie sie ihm folgte, Nathan folgte.
Er stand da und sah auf das Wasser und die Stromschnellen hinaus. Er stand da und drehte sich eine Zigarette. Sein Mund war zu einem Pfeifen geformt, aber sie hörte nichts. Sie hörte nur das Tosen des
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