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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Eingangstür musterte jeden mißtrauisch. Medizinische Betreuung unter Kriegsbedingungen. Die eigentlichen Grabenkämpfe fanden hinter der Fassade des Hancock General statt. Jede Messerstecherei, jede Schießerei, die im Umkreis von drei Meilen um die South Lexington passierte, endete irgendwie in dieser Notaufnahme. Dasselbe galt für die Drogenopfer. M. J. fragte sich, ob man mittlerweile einen weiteren Nicos Biagi oder ein weiteres Opfer »Unbekannt, weiblich« gefunden hatte.
    »Er liegt übrigens oben im vierten Stock«, entfuhr es ihr unwillkürlich. »Auf der Intensivstation.«
    »Wer?«
    »Nicos Biagi. Ich bin heute schon bei ihm gewesen.« Sie schüttelte den Kopf. »Er sah nicht gut aus. Was er sich auch immer gespritzt hat, es hat ihm das Gehirn weggeätzt. Und die Nieren.«
    Adam schwieg; sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske.
    »Der Arzt von der Notaufnahme behauptet, der Stoff müsse ein völlig neues Gebräu sein. Etwas, das ihm bisher noch nie untergekommen ist …« Sie hielt inne, als ihr ein erschreckender Gedanke kam. Sie sah Adam an und merkte, daß er ihrem Blick auswich. »Sie sagten doch, daß Sie Maeve einen Job verschafft hätten. War’s vielleicht bei Cygnus?«
    Er seufzte. »Ja.«
    »In welcher Abteilung, Adam?«
    Er seufzte erneut. Das Geräusch verriet äußerste Erschöpfung. »Forschung und Entwicklung«, antwortete er. »Sie hat im Labor saubergemacht. Hat den Sterilisationsapparat bedient. Nichts Wichtiges.«
    »Und woran hat das Labor gearbeitet?«
    »An verschiedenen Projekten. Reicht von Antibiotika bis zu Haarwuchsmitteln.«
    »Was ist mit Morphium-Analoga?«
    »Hören Sie!« fuhr er sie an. »Wir sind ein pharmazeutisches Unternehmen. Und Schmerzmittel sind ein Riesenmarkt …«
    »Sie brüten was ganz Neues in Ihrem Labor aus, stimmt’s? Etwas, das noch niemand zuvor entwickelt hat.«
    Er schwieg. Dann nickte er zögernd. »Es ist … eine bahnbrechende Erfindung. Oder wird es vielmehr sein … vorausgesetzt, wir können die Kinderkrankheiten überwinden. Das Mittel ist eng mit den körpereigenen Endorphinen verwandt. Setzt sich an denselben Enzymrezeptoren fest wie Morphine und klebt dran wie Uhu. Hat demnach eine ausgesprochen anhaltende Wirkung. Damit ist das Mittel ideal für die Krebsbehandlung im Endstadium.«
    »Sie sagen anhaltend? Wie lange?«
    »Eine Dosis garantiert Schmerzfreiheit für zweiundsiebzig Stunden … vielleicht auch länger. Das ist der große Vorteil. Und auch der Nachteil. Tierversuche haben ergeben, daß schon eine geringe Überdosis ein Langzeit-Koma zur Folge hat.« Er blickte zu ihr auf. Was sie in seinen Augen sah, war Sorge, vielleicht Schuldbewußtsein. Und absolute Ehrlichkeit.
    Sie stand abrupt auf. »Kommen Sie mit mir nach oben.«
    »In die Intensivstation?«
    »Nicos Biagis toxikologischer Befund müßte mittlerweile da sein. Ich möchte, daß Sie ihn sich ansehen. Sagen Sie mir, ob die Analyse mit der Zusammensetzung Ihrer Wunderdroge übereinstimmt.«
    »Aber ich bin kein Biochemiker. Ich brauche Hilfe von meinen Leuten, um …«
    »Dann nehmen Sie den Bericht mit in die Firma und zeigen Sie ihn Ihren Cracks.«
    Er schüttelte den Kopf. »Die toxikologischen Befunde, die man in Krankenhäusern erstellt, sind nicht detailliert genug.«
    »Warum sträuben Sie sich so dagegen? Haben Sie Angst vor der Wahrheit? Daß es eine Droge von Cygnus sein könnte, die die Leute umbringt?«
    Adam Quantrell kam langsam auf die Beine. Angesichts seiner Körpergröße befand sie sich schmerzlich im Nachteil. Sie war gezwungen, zu
ihm
aufzusehen, dem kalten, schweigenden Blick seiner graublauen Augen standzuhalten.
    Bis jetzt hatte Adam Quantrell sie nicht einschüchtern können; weder durch seinen Reichtum noch durch seine Macht oder seine faszinierende Erscheinung. Mit der Wut und Empörung, die aus seinen Augen sprach, konnte sie allerdings weniger gut umgehen, sie konnte sie nicht einfach ignorieren. Ihre Blicke verschmolzen förmlich miteinander, und plötzlich flammte ein neues Gefühl in ihr auf, so unerwartet, daß sie von seiner Intensität völlig überrascht war: Versuchung. Verlangen, plötzlich war sie nicht mehr in der Lage, nicht mehr willens, von etwas anderem außer ihm im Raum Notiz zu nehmen.
    Das ist Irrsinn,
dachte sie.
Ich will das nicht!
Und doch schien sie sich nicht loslösen zu können von diesen Augen, konnte ihren Körper nicht dazu bringen, sich abzuwenden.
    Es war die Stimme einer Frau, die Adams Namen rief, die

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