Gute Nacht: Thriller (German Edition)
damit niemand, der zuhört, was mitkriegt.«
»Bin beeindruckt.«
»Kein Grund. Hab ich mir alles aus einem Agentenfilm abgeguckt.«
Die zweite Frage stellte Gurney Kim. »Hast du in der Wohnung was Unbekanntes bemerkt – ein kleines Gerät, Radiowecker, iPod, Stofftier, irgendwas, was du noch nie gesehen hast?«
»Nein, warum?«
»Wollte nur wissen, ob Schiff schon dazu gekommen ist, die versprochenen Überwachungsgeräte zu installieren. Wenn der Bewohner des Apartments eingeweiht ist, nimmt man für die Bildübertragung eher ein vorverdrahtetes Fertigteil als etwas, das vor Ort irgendwo eingebaut werden muss.«
»Nein, es gab keine fremden Gegenstände.«
Am nächsten Morgen beim Frühstück fiel Gurney auf, dass Madeleine ihre übliche Schale Haferflocken weggelassen und sogar ihren Kaffee kaum angerührt hatte. Sie schaute durch die Terrassentür, ohne jedoch die sonnenbeschienene Landschaft wahrzunehmen. Ihr Blick schien nach innen gerichtet.
»Geht dir das Feuer nicht aus dem Kopf?«
Sie brauchte lange für ihre Antwort. »Ja, so könnte man es wohl ausdrücken. Weißt du, was mir heute nach dem Aufwachen als Erstes eingefallen ist? Dass es eine gute Idee wäre, den herrlichen Morgen für einen kleinen Fahrradausflug unten am Fluss zu nutzen. Doch dann wurde mir klar, dass ich kein Fahrrad mehr habe. Denn dieses verkohlte, verbogene Ding in der abgebrannten Scheune kann man ja kaum als Fahrrad bezeichnen.«
Gurney wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
Still saß sie da, die Augen funkelten zornig. Ihre Worte schienen eher an die Kaffeetasse gerichtet als an Gurney. »Der Kerl, der in Kims Apartment Wanzen angebracht hat – wie viel hat er wohl über uns erfahren?«
»Über uns?«
»Also schön: Wie viel hat er über dich rausgefunden?«
Gurney holte tief Luft. »Gute Frage.« Tatsächlich nagte genau diese Frage seit seinem letzten Telefongespräch mit Kyle an ihm. »Wahrscheinlich wird die Aufnahmefunktion durch Stimmen ausgelöst, das heißt, meine Unterhaltungen mit Kim bei meinen Besuchen und sämtliche Telefongespräche wurden mitgeschnitten.«
»Telefongespräche mit dir, mit ihrer Mutter, mit Rudy Getz …«
»Ja.«
Madeleine kniff die Augen zusammen. »Also weiß er ziemlich viel.«
»Allerdings.«
»Müssen wir uns fürchten?«
»Wir sollten wachsam sein. Und ich muss herausfinden, was da eigentlich läuft.«
»Aha, verstehe. Ich halte also Ausschau nach einem potenziellen Irren, während du mit den Puzzleteilen spielst? Ist das der Plan?«
»Stör ich gerade?« Kim stand in der Küchentür.
Madeleine schien kurz davor zu antworten: Ja, du störst, sehr sogar.
Stattdessen fragte Gurney: »Möchtest du Kaffee?«
»Nein danke … Ich wollte dich nur erinnern – in ungefähr einer Stunde müssen wir los zu unserer ersten Verabredung. Mit Eric Stone in Barkham Dell. Er lebt noch immer im Haus seiner Mutter. Eric wird dir bestimmt gefallen. Er ist … was Besonderes.«
Vor ihrem Aufbruch rief Gurney bei Detective James Schiff im Polizeirevier von Syracuse an, um sich nach der Überwachung von Kims Apartment zu erkundigen. Schiff war dienstlich unterwegs, und Gurney wurde zu Schiffs Partner Elwood Gates durchgestellt, der mit der Situation vertraut schien. Allerdings interessierte sich Gates nicht sonderlich für das Problem und entschuldigte sich auch nicht für die Verzögerung beim Einbau der versprochenen Kameras.
»Wenn Schiff gesagt hat, wir machen das, dann machen wir es auch.«
»Haben Sie eine Ahnung, wann?«
»Vielleicht wenn wir ein paar wichtigere Dinge geregelt haben.«
»Wichtiger als ein gefährlicher Irrer, der mit dem Vorsatz schwerer Körperverletzung wiederholt in die Wohnung einer jungen Frau einbricht?«
»Reden Sie von der durchgebrochenen Stufe?«
»Ich rede von einer angesägten Stufe über einem Betonboden, was leicht zu einer tödlichen Verletzung hätte führen können.«
»Also gut, Mr. Gurney. Ich sag Ihnen jetzt mal was. Im Moment schlagen wir uns gerade mit tödlichen Verletzungen herum, die alles andere als potenziell sind. Wahrscheinlich haben Sie nichts von dem kleinen Revierkampf zwischen Crackdealern gehört, der hier gestern ausgebrochen ist? Nein? Das dachte ich mir schon. Zwar steht Ihr riesiges Einbruchsproblem ganz oben auf unserer Liste – aber vorher müssen wir noch kurz ein Dutzend verrückte Drecksäcke mit Kalaschnikows aus dem Verkehr ziehen. Okay? Wir halten Sie auf dem Laufenden. Schönen Tag.«
Kim beobachtete
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