Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Trooper hatte sichtlich Mühe, diese Antwort zu entschlüsseln. »Wie heißen Sie?«
»Dave Gurney.«
Der Mann beäugte ihn mit der Mischung aus oberflächlicher Höflichkeit und instinktivem Misstrauen, mit der Polizisten die meisten Fremden betrachten. »Halten Sie da drüben.« Er deutete auf eine Stelle zwischen dem Spurensicherungswagen und dem TV -Fahrzeug. »Bleiben Sie im Auto.« Mit entschlossener Geste wandte er sich ab und näherte sich drei Gestalten, die neben der Einfahrt eine lebhafte Unterhaltung führten. Er sprach eine untersetzte Frau mit kurzem braunem Haar an. Sie trug einen dunkelblauen Blazer und eine dazu passende Hose. Der Grauhaarige rechts von ihr hatte einen weißen Overall an, der jüngere Mann links von ihr einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und dunkler Krawatte – die Standardkluft von Detectives, Bestattungsunternehmern und Mormonen. Die muskulösen Schultern, der breite Hals und das kurz geschorene Haar ließen keinen Zweifel daran, zu welcher der drei Gruppen er gehörte.
Als der Trooper seine Frage vorgebracht hatte, blickten die drei gemeinsam hinüber zu Gurney. Der junge Mann grinste und redete auf die Frau ein, während er in Gurneys Richtung deutete.
Das Grinsen kam ihm irgendwie bekannt vor.
»Detective!« Die Frau hob die Hand, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. »Detective Gurney.«
Als er ausstieg, wurde er von lautem Wummern begrüßt. Er schaute auf und erspähte durch die Baumwipfel einen kreisenden Hubschrauber, der kaum zu erkennen war. Die riesigen weißen Buchstaben RAM unter der Kabine stachen ihm jedoch ins Auge und veranlassten ihn unwillkürlich zu einer Grimasse.
»Lieutenant Bullard will mit Ihnen sprechen.« Der Trooper war zurückgekommen und hob das Band, damit Gurney den abgesperrten Bereich betreten konnte. Durch seinen Ton wirkte die Geste eher besitzergreifend als höflich.
Als sich Gurney unter dem Band hindurchduckte, fiel ihm ein Streifen Straßenschmutz auf, der sich in einem Dehnungsriss zwischen der geteerten Einfahrt und dem gröberen Asphalt des Seitenstreifens abgelagert hatte. Er hielt kurz inne, um das Ganze näher zu begutachten. Der Trooper ließ das Band einfach herunterfallen und kehrte zu seinen Pflichten zurück.
Gurney richtete sich wieder auf und bemerkte, dass der junge Mann, der ihm vage bekannt vorkam, auf ihn zusteuerte.
»Sir, Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht mehr an mich. Ich bin Andrew Clegg. Wir haben uns kennengelernt, als Sie …«
Gurney unterbrach ihn mit freundlicher Stimme. »Natürlich erinnere ich mich an Sie, Andy. Anscheinend sind Sie befördert worden.«
Erneut blitzte dieses Grinsen auf, das ihn für Augenblicke wieder zum Teenager machte. »Letzten Monat. Hab’s endlich ins BCI geschafft. Sie waren eins meiner großen Vorbilder.« Während er redete, führte er Gurney zu der untersetzten Frau.
Sie verabschiedete sich gerade von dem Kriminaltechniker. »Von mir aus können Sie gern auch den Teppich mitnehmen. Liegt ganz bei Ihnen.« Sie wandte sich zu Gurney um. Ihr Gesicht wirkte wach und angenehm geschäftsmäßig. »Andy hat mir erzählt, dass Sie und Jack Hardwick zusammen an dem Fall Piggert gearbeitet haben. Stimmt das?«
»Ja, das stimmt.«
»Glückwunsch. Großer Erfolg für die Guten.«
»Danke.«
»Die Sache mit dem wahnsinnigen Weihnachtsmann war allerdings noch größer«, meinte Clegg.
»Was für ein wahnsinniger Weihnachtsmann?« Dann schien ihr etwas zu dämmern. »Ach, war das nicht der Spinner, der die Leute zersägt und die Stücke an Polizisten aus der Gegend geschickt hat?«
»In Geschenkpapier! Als Weihnachtspräsent!« Clegg war offenbar eher fasziniert als entsetzt.
Sie fixierte Gurney. »Und Sie?«
»Ich war nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«
»Erstaunlich.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Lieutenant Bullard. Und Sie sind offenbar jemand, der nicht eigens vorgestellt werden muss. Welchem Umstand verdanken wir diese Ehre?«
»Der Sache mit Ruth Blum.«
»Wie das?«
»Haben Sie gestern Abend die Sendung auf RAM mit ihr gesehen?«
»Zumindest gehört habe ich davon. Warum fragen Sie?«
»Es könnte wichtig sein, um zu verstehen, was hier passiert ist.«
»Inwiefern?«
»Die Sendung ist die erste in einer Reihe, die sich mit den Nachwirkungen der sechs Morde befasst, die der Gute Hirte im Jahr 2000 begangen hat. Das hier ist mit größter Wahrscheinlichkeit der siebte Mord dieses Täters. Und möglicherweise werden es noch
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