Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Begründung?
Was wollte der Hirte?
Eine Sache, die er anscheinend immer wollte, war Sicherheit.
Vielleicht konnte ihm Gurney die Gelegenheit bieten, ein Risiko in seinem Leben zu beseitigen.
Oder die Gelegenheit, einen Feind zu beseitigen.
Ja. Das klang gut.
Die Gelegenheit, jemanden zu beseitigen, der ihm Schwierigkeiten bereitete.
Und Gurney kannte auch den passenden Ort dafür. Den idealen Ort für einen Mord.
Er öffnete die Schreibtischschublade und nahm eine Visitenkarte heraus, auf der kein Name stand, nur eine Handynummer.
Er griff nach seinem Telefon und wählte. Die Mailbox sprang an. Kein Gruß, keine Vorstellung, lediglich eine schroffe Aufforderung: »Nennen Sie Ihr Anliegen.«
»Hier Dave Gurney. Dringende Angelegenheit. Rufen Sie zurück.«
Keine Minute später kam bereits die Antwort. »Maximilian Clinter hier. Was haben Sie auf dem Herzen, Meister?« Anscheinend war bei ihm gerade eine altmodische Diktion angesagt.
»Ich hab eine Bitte. Ich muss was Bestimmtes erledigen, und dafür brauche ich einen besonderen Ort.«
»Schön, schön, schön. Etwas Größeres?«
»Ja.«
»Wie groß genau?«
»So groß, wie es überhaupt geht.«
»So groß, wie es überhaupt geht. Aha, aha. Das kann nur eins bedeuten. Hab ich recht?«
»Ich bin kein Gedankenleser, Max.«
»Aber ich.«
»Dann müssen Sie mir auch keine Fragen stellen.«
»Das ist keine Frage, sondern eine Bitte um Bestätigung.«
»Ich bestätige, dass es was Großes ist, und ich bitte Sie, eine Nacht lang Ihre Hütte benutzen zu dürfen.«
»Können Sie mir Einzelheiten nennen?«
»Die habe ich mir noch nicht überlegt.«
»Dann die grundlegende Idee.«
»Lieber nicht.«
»Ich hab ein Recht darauf.«
»Ich möchte jemanden einladen, sich dort mit mir zu treffen.«
»Den Mann persönlich?«
Gurney schenkte sich die Antwort.
»Mich laust der Affe! Stimmt das wirklich? Sie haben ihn gefunden?«
»Genau genommen möchte ich, dass er mich findet.«
»In meiner Hütte?«
»Ja.«
»Warum sollte er dort hinkommen?«
»Vielleicht um mich zu töten, wenn ich ihm genug Grund dafür gebe.«
»Aha. Sie wollen die Nacht in meiner Hütte mitten im Hogmarrow Swamp verbringen in der Hoffnung, irgendwann zur Geisterstunde von einem Mann besucht zu werden, der einen guten Grund hat, Sie zu töten. Habe ich das richtig verstanden?«
»Mehr oder weniger.«
»Und wie sieht das glückliche Ende aus? Den Bruchteil einer Sekunde, bevor Ihnen der Schädel weggeblasen wird, falle ich wie Batman vom Himmel, um Sie zu retten?«
»Nein.«
»Nein?«
»Ich rette mich selbst. Oder auch nicht.«
»Sind Sie eine Ein-Mann-Armee?«
»Ich kann da niemand anders mit reinziehen. Dazu ist das Ganze zu unsicher.«
»Ich muss mitmachen.«
Gurney starrte blicklos durchs Fenster und grübelte über die wackligen Annahmen nach, von denen sein Plan abhing. Ein Alleingang war unglaublich gefährlich. Doch mit Verstärkung, vor allem wenn sie Clinter hieß, schien es ihm noch gefährlicher. »Tut mir leid. Entweder auf meine Art oder gar nicht.«
Clinters Stimme explodierte. »Sie reden hier von dem Scheißkerl, der mir das Leben versaut hat! Ich lebe dafür, dieses Schwein abzumurksen! Ich will ihn den Hunden zum Fraß vorwerfen. Und Sie erzählen mir, dass es auf Ihre Art passieren muss! Ihre verdammte Art? Haben Sie den Verstand verloren?«
»Ich weiß es nicht, Max, ehrlich. Aber ich sehe eine kleine Chance, den Guten Hirten zu stoppen. Ihn vielleicht davon abzuhalten, Kim Corazon zu töten. Oder meinen Sohn. Oder meine Frau. Für mich heißt es jetzt oder nie, Max. Meine einzige Chance. Es gibt schon zu viele Variablen, zu viele Unwägbarkeiten. Und noch ein Beteiligter wäre einer zu viel. Tut mir leid, Max. Das kann ich nicht dulden. Entweder auf meine Art oder gar nicht.«
Es blieb lange still.
»In Ordnung.« Clinters Stimme klang völlig emotionslos.
»Was in Ordnung?«
»In Ordnung, Sie können mein Haus benutzen. Wann brauchen Sie es?«
»Je früher, desto besser. Sagen wir morgen Abend. Von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen.«
»In Ordnung.«
»Aber Sie müssen auf jeden Fall auf Distanz bleiben.«
»Und wenn Sie am Ende doch Hilfe brauchen?«
»Wer hat Ihnen in dem Zimmer in Buffalo geholfen?«
»Das war was anderes.«
»Nicht unbedingt. Gibt es einen Schlüssel für die Haustür?«
»Nein. Meine kleinen Vipern sind die einzigen Schlösser, die ich brauche.«
»Die Klapperschlangen, die nur ein Gerücht sind?« Gurney
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