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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Harpunen. Er war der Gefangene seiner Mission, hatte nichts anderes vor Augen als die Erfüllung seiner Aufgabe, hörte nichts anderes als die Stimmen in seinem Kopf.
    Der Mann war völlig allein.
    Die Erkenntnis traf Gurney mit einer Wucht, dass ihm die Tränen in die Augen traten.
    Und dann erkannte er, dass die Tränen nicht Max galten.
    Sie galten ihm selbst.
    Plötzlich fiel ihm Madeleines Anblick ein. Wie sie auf der Anhöhe bei der Birke stand. Auf dem kleinen Hügel hinter dem Weiher und den Wäldern. Wie sie ihm zuwinkte. Eine lächelnde Gestalt, deren farbenfrohe Kleidung im Sonnenlicht leuchtete. Bewegt von einem Gefühl, für das es keine Worte gab.
    Es war wie das Ende eines Films. Eines Films über einen Mann, dem ein großes Geschenk zuteil wurde: eine Himmelsbotin, die ihm liebevoll voranschritt, die ihm alles hätte zeigen und ihn überallhin hätte führen können, wenn er nur bereit gewesen wäre, auf sie zu hören und ihr zu folgen. Doch der Mann war zu beschäftigt mit vielen Dingen, zu beschäftigt mit der Dunkelheit, die ihn herausforderte und faszinierte, zu beschäftigt mit sich selbst. Und schließlich wurde die Himmelsbotin abberufen, weil sie alles für ihn getan hatte, was in ihren Kräften stand – mehr hatte er nicht zugelassen. Sie liebte ihn, wusste alles über ihn, was es zu wissen gab, und akzeptierte ihn genau, wie er war, wünschte ihm alles Glück der Welt. Aber jetzt war es Zeit für sie zu gehen. Und der Film endete damit, dass die Himmelsbotin mit einem Lächeln unendlicher Liebe im Licht der Sonne verschwand.
    Gurney senkte den Kopf und biss sich auf die Lippen. Tränen liefen ihm über die Wangen. Ein trockenes Schluchzen brach aus ihm hervor. Dieser Film erzählte die Geschichte seines Lebens.
    Eine Stunde später empfand er das Ganze als lächerlich. Absurd. Wehleidiger, überspannter, hyperemotionaler Unsinn. Er nahm sich vor, sich später, wenn er Zeit hatte, eingehender damit auseinanderzusetzen und zu überlegen, was diesen kindischen Zusammenbruch ausgelöst hatte. Offensichtlich fühlte er sich verletzlich, zumal ihn die Interessenskonflikte, die bei diesem Fall zutage getreten waren, isoliert hatten. Hinzu kam, dass die Folgen seiner Schussverletzung nachwirkten – er war immer noch viel zu dünnhäutig und gereizt. Daneben allerdings gab es zweifellos tiefer reichende Probleme, die mit Ängsten und Unsicherheiten aus seiner Kindheit zu tun hatten. Ja, er musste sich unbedingt damit auseinandersetzen. Doch im Augenblick …
    Im Augenblick musste er die kurze Zeit nutzen, die ihm zur Verfügung stand, und sich vorbereiten auf die Konfrontation, die ihn erwartete, nachdem er und Kim die Sache ins Rollen gebracht hatten.
    Er blätterte durch die Papiere auf dem Tisch und las alles von den Zusammenfassungen der ersten Polizeiberichte bis zu Kims Notizen über ihre Kontaktaufnahme mit den Familien, vom Täterprofil des FBI bis hin zur gesamten Absichtserklärung des Guten Hirten.
    Er arbeitete das gesamte Material durch. Sorgfältig, als hätte er sich noch nie damit beschäftigt. Dazwischen blickte er immer wieder durch das Fenster auf den Damm und machte eine Runde durch das Zimmer, um auch die anderen Fenster zu prüfen. Alles in allem beschäftigte ihn das über zwei Stunden. Und dann fing er wieder von vorn an.
    Als der zweite Durchgang beendet war, merkte er, dass es bereits dunkel wurde. Er war müde vom Lesen und steif vom Sitzen. Er stand vom Tisch auf, streckte sich, zog die Beretta aus dem Knöchelhalfter und trat durch die Eingangstür. Am wolkenlosen Himmel verblasste das Blau mehr und mehr zu Grau. Irgendwo draußen vom Biberteich hörte er ein lautes Platschen. Noch eins. Und noch eins. Dann herrschte vollkommene Stille.
    Die Ruhe brachte ein Gefühl der Anspannung mit sich. Langsam umrundete Gurney die Hütte. Alles wirkte unverändert im Vergleich zu seinem ersten Besuch – nur der damals hinter dem Picknicktisch parkende Humvee war verschwunden. Er ging wieder hinein und zog die Tür hinter sich zu, ohne sie zu verriegeln.
    In den drei oder vier Minuten, die er draußen gewesen war, hatte das Licht deutlich abgenommen. Er kehrte an den Tisch zurück und legte die Beretta griffbereit auf die Platte. Dann suchte er die Liste mit seinen eigenen Fragen aus dem Papierstapel heraus. Sein Interesse weckte vor allem eine, die sich auf Jimi Brewster bezog. Bullard hatte das Problem bereits in Sasparilla erwähnt, und auch Hardwick war bei seinen Spekulationen

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