Gute Nacht: Thriller (German Edition)
die er nicht zuordnen konnte, hastig davoneilende Schritte, die vielleicht gegen eine Wand stießen oder stolperten, ehe sie sich entfernten.
Schließlich versuchte er, sich zu bewegen. Bis das Flüstern an seinem Ohr ihn erstarren ließ.
Ein Laut, eher tierisch als menschlich, die Worte wie Dampf zwischen den Zähnen hervorgezischt.
Er riss die Beretta aus seinem Knöchelhalfter, lag da und lauschte in die stille Finsternis. Die Situation war so zermürbend, dass er nicht mehr wusste, wie viel Zeit verging – dreißig Sekunden, eine Minute, zwei Minuten oder mehr –, bis Kim mit ihrer Mini-Maglite zurückkehrte, die viel heller strahlte als neulich beim Untersuchen der
Truhe.
Sie traf gerade Anstalten, sich die Stufen hinunterzutasten, als er sich mit unsicheren Beinen hochrappelte und ein heißer Schmerz vom Handgelenk zum Ellbogen hinaufzuckte. Er forderte sie auf, nicht weiterzugehen, sondern einfach die Treppe zu beleuchten. Dann kletterte er so schnell wie möglich zu ihr hinauf und verlor vor Schwindel zweimal fast das Gleichgewicht. Er nahm ihre Taschenlampe, drehte sich um und ließ den Strahl über den Kellerboden gleiten.
Mit der Pistole in der einen Hand und der Lampe in der anderen wagte er sich wieder zwei Stufen hinunter und wiederholte das suchende Kreisen. Noch zwei Stufen … Jetzt bekam er endlich den gesamten Keller in den Blick – Boden, Wände, Stahlpfeiler, Deckenbalken. Aber keine Spur von dem Flüsterer. Nichts war umgestürzt, nichts in Unordnung, nichts regte sich außer den unheimlichen Schatten, die mit der Bewegung der kleinen Lampe über die Betonwände krochen.
Unten angekommen, stellte er ebenso verblüfft wie erleichtert fest, dass es keine geheimen Nischen oder dunklen Winkel gab, in denen sich ein Mann dem Licht hätte entziehen können. Abgesehen von der Truhe bot der Keller keine erkennbare Möglichkeit, sich zu verstecken.
Er fragte Kim, die in nervösem Schweigen am oberen Ende der Treppe verharrte, ob sie nach dem Sturz etwas gehört hatte.
»Was denn?«
»Eine Stimme, ein Flüstern – etwas in dieser Art?«
»Nein, nein. Was meinst du damit?«, fragte sie alarmiert.
»Nichts. Ich …« Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich bloß mein eigenes Keuchen.« Dann fragte er, ob sie es gewesen war, die er hatte davonrennen hören.
Ja, wahrscheinlich schon, sie war offenbar weggelaufen, zumindest glaubte sie es, vielleicht auch gestolpert oder nur schnell gegangen – in ihrer Panik konnte sie sich nicht mehr richtig erinnern, wie sie überhaupt ins Schlafzimmer gelangt war, um die Taschenlampe vom Nachttisch zu holen. »Warum fragst du?«
»Wollte nur meine Eindrücke überprüfen«, antwortete er vage.
Er mochte nicht laut über die alternative Möglichkeit spekulieren, dass der Eindringling die Treppe hinauf und aus der Wohnung gerast war, während Kim Richtung Schlafzimmer hetzte. Dass er sich die Dunkelheit zunutze gemacht hatte, um sich zu verstecken, und vielleicht bis auf wenige Zentimeter an sie herangekommen war, ehe er aus dem Haus schlich.
Doch egal, wohin und wie er verschwunden war – vorausgesetzt, er hatte sich nicht in der Truhe verkrochen –, was hatte das Ganze für einen Sinn? Warum war er überhaupt im Keller gewesen? Konnte es Robby Meese gewesen sein? Rein logistisch war das denkbar. Aber wozu?
All diese Fragen gingen Gurney am Fuß der Treppe durch den Kopf, als er den Strahl der Taschenlampe auf die Truhe richtete und sein weiteres Vorgehen überlegte.
Weil er sich bei dem spärlichen Licht nicht näher mit der Truhe befassen wollte, forderte er Kim auf, den Schalter am Ende der Treppe auf die EIN -Position zu stellen – auch wenn sich dadurch zunächst nichts veränderte. Er näherte sich dem Sicherungskasten, während er abwechselnd ihn und die Truhe anleuchtete. Schließlich klemmte er sich die Taschenlampe unter den Arm und öffnete die Metalltür. Er sah auf den ersten Blick, dass die Hauptsicherung ausgeschaltet war, und drückte den steifen Plastikhebel in die andere Richtung.
Sofort sprang die nackte Birne an der Kellerdecke an. Oben setzte summend der Kühlschrankmotor ein. Er hörte Kims Stimme: »Gott sei Dank!«
Schnell überzeugte er sich davon, dass es in dem Raum wirklich keine Möglichkeit gab, sich zu verstecken, außer in der Truhe.
Als er auf sie zutrat, waren seine Furcht und sein Unbehagen bereits von Zorn und der Lust auf Konfrontation verdrängt worden. Eine innere Stimme mahnte ihn jedoch, nicht einfach
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