Gute Nacht: Thriller (German Edition)
Motorrad aus der Stadt gekommen, um mich zu besuchen?«
»Um dich zu überraschen. Eigentlich wollte er um drei hier sein. Weil du gesagt hast, du bist um diese Zeit zurück. Spätestens um drei. Dann hat er es sich anders überlegt und ist schon um zwei aufgetaucht. Damit er mehr Zeit mit dir verbringen kann, falls du schon früher heimkommst.«
»Hast du das arrangiert?« Seine Frage war zur Hälfte eine Anschuldigung.
»Nein, ich hab es nicht arrangiert . Das Ganze war Kyles Idee. Er hat dich nicht mehr gesehen, seit du im Krankenhaus warst. Ich hab ihm nur erzählt, wann du kommst – wann du versprochen hast zu kommen. Warum schaust du mich so an?«
»Was für ein Zufall, erst gestern hast du davon geredet, dass Kyle und Kim ein interessantes Paar wären, und jetzt sind sie hier und machen einen Spaziergang miteinander.«
»Es gibt eben Zufälle im Leben, David. Deswegen existiert ja auch dieses Wort.« Sie wandte sich wieder dem Wok zu.
Gurney war stärker beunruhigt, als er zugeben wollte. Sicher ein Symptom seiner starken Ablehnung gegen unverhoffte Änderungen seiner Pläne, die seine Vorstellung, alles steuern zu können, als Illusion entlarvten. Hinzu kam, dass sein Verhältnis zu Kyle, seinem sechsundzwanzigjährigen Sohn aus erster Ehe, schon seit Langem mit widersprüchlichen Emotionen und Verdrängungsversuchen belastet war. Außerdem ließ die Wirkung der Tabletten, die er zur Beruhigung des angeschlagenen Nervs im Arm genommen hatte, allmählich nach, und die Schmerzen von seinem Sturz wurden insgesamt wieder schlimmer. Und, und, und …
Er bemühte sich, Feindseligkeit und Selbstmitleid aus seiner Stimme zu verbannen. »Weißt du, wohin sie gegangen sind?«
Madeleine hob den Wok von der Flamme und gab seinen Inhalt zum Reis und zu den Zwiebeln in der Backform. Sie antwortete erst, nachdem sie ihn geleert, zurückgestellt und wieder Öl hineingegeben hatte. »Ich habe ihnen den Rundweg empfohlen, der vom Kamm runter zum Weiher führt.«
»Wann sind sie aufgebrochen?«
»Als sie erfahren haben, dass du eine Stunde Verspätung hast.«
»Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?«
»Hätte das einen Unterschied gemacht?«
»Natürlich.«
»Interessant.«
Das Öl im Wok begann zu rauchen. Madeleine trat zum Gewürzschränkchen und kam mit gemahlenem Ingwer, Kardamom, Koriander und einer Tüte Cashewnüssen zurück. Sie drehte den Dunstabzug auf die höchste Stufe, streute eine Handvoll Nüsse und je einen Teelöffel der Gewürze in den Wok und verrührte alles.
Mit dem Kopf deutete sie zum Fenster neben dem Herd. »Sie kommen gerade den Hügel rauf.«
Er ging hinüber und spähte hinaus. Auf dem Weg über die Bergwiese schlenderten Kim in Madeleines bunter Windjacke und Kyle in ausgebleichten Jeans und schwarzer Lederjacke. Anscheinend lachten sie.
Madeleine musterte ihn, während er die beiden beobachtete. »Bevor sie hier sind, solltest du vielleicht ein freundlicheres Gesicht aufsetzen.«
»Ich dachte gerade an das Motorrad.«
Sorgfältig verteilte sie das Gemisch aus Nüssen und Gewürzen auf den anderen Zutaten in der Backform. »Was ist damit?«
»Ein fünfzig Jahre alter, generalüberholter Klassiker ist nicht billig.«
»Ha!« Sie stellte den Wok in die Spüle und ließ Wasser darüberlaufen. »Wann hat Kyle schon mal was Billiges besessen?«
Er nickte unbestimmt. »Bei seinem bisher einzigen Besuch hier vor zwei Jahren wollte er mir diesen gottverdammten gelben Porsche vorführen, den er sich mit seinem Wall-Street-Bonus gekauft hatte. Jetzt ist es eine teure BSA . O Mann.«
»Du bist sein Vater.«
»Und das heißt?«
Madeleine seufzte und fixierte ihn mit einer merkwürdigen Mischung aus Ungeduld und Sympathie. »Ist doch klar! Er möchte, dass du stolz auf ihn bist. Sicher, er stellt sich nicht besonders geschickt an dabei. Ihr beide kennt euch wohl nicht besonders gut.«
»Wahrscheinlich.« Er sah zu, wie sie die Backform in den Ofen schob. »Dieses glitzernde Luxuszeug, der ganze Markennamenschrott – das erinnert mich einfach viel zu sehr an die materialistischen Gene, die er von seiner Mutter geerbt hat. Als Immobilienmaklerin hat sie was vom Geldverdienen verstanden, aber noch besser war sie im Geldausgeben. Lag mir ständig in den Ohren, dass ich als Cop meine Zeit verschwende – ich soll Jura studieren, weil beim Verteidigen von Verbrechern viel mehr rausspringt als bei der Jagd auf sie. Wenigstens studiert Kyle jetzt Jura. Macht sie bestimmt
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