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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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mal beiseite.«
    »Eine Frau? Das ist doch lächerlich.«
    »Keine Zeit, darüber zu diskutieren. Ich hätte noch eine letzte Frage an Sie. Hat es in diesem ganzen professionellen Konsens von Ihnen, von Ihren Kollegen oder von jemandem aus der Abteilung Verhaltensanalyse je eine abweichende Meinung zu irgendeinem Element der Fallhypothese gegeben?«
    »Selbstverständlich. Es kommen immer unterschiedliche Einschätzungen und Gewichtungen zur Sprache.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel betont das Konzept der Musterresonanz die Übertragung von Energie aus einem ursprünglichen Trauma auf eine aktuelle Situation – das heißt, die aktuelle Manifestation bezieht ihr Leben allein aus der Vergangenheit. Das Paradigma des Nachahmungstriebs hingegen würde der Gegenwart größeres Eigengewicht einräumen. Es ist zwar die Wiederholung eines alten Musters, aber es hat eigenes Leben und Kraft. Denkbar wäre auch eine Anwendung der Theorie zur transgenerationalen Weitergabe von Gewalt. All diese Ansätze wurden breit disku-
tiert.«
    Gurney lachte.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Ich male mir gerade aus, wie Sie alle eine Palme anstarren und darüber debattieren, wie viele Kokosnüsse daran hängen.«
    »Das heißt?«
    »Was, wenn die Palme nur eine Luftspiegelung ist? Eine kollektive Illusion?«
    »David, wenn sich hier jemand Illusionen macht, dann sicher nicht ich. Sind das jetzt alle Fragen?«
    »Wer profitiert von der gängigen Hypothese?«
    »Was?«
    »Wer profitiert von der …«
    »Ich hab Sie schon verstanden. Was meinen Sie damit?«
    »Mir schwebt da so ein Bild vor: eine klebrige Synergie zwischen den Fallfakten, den Schwachstellen der FBI -Methodik und der Karrieredynamik im Fach forensische Psychologie.«
    »Ich kann nicht glauben, dass Sie das wirklich gesagt haben. Das ist beleidigend. Ich bin kurz davor aufzulegen. Ich gebe Ihnen noch eine letzte Chance, das zu erklären. Reden Sie. Aber schnell.«
    »Rebecca, wir alle machen uns doch manchmal etwas vor. Da bin ich keine Ausnahme, weiß Gott. Deswegen ist das auch überhaupt nicht als Beleidigung gemeint. Wenn Sie den Fall des Guten Hirten betrachten, sehen Sie die simple Geschichte eines genialen Spinners, dessen verdrängte Wut ihren Ausdruck findet in Angriffen auf Symbole für Reichtum und Macht. Wenn ich denselben Fall betrachte, bin ich mir überhaupt nicht so sicher, was ich da sehe – vielleicht einen Fall, bei dem man sich nicht so sicher sein sollte. Das ist alles. Ich bin einfach der Meinung, dass hier zu schnell zu viele Schlüsse gezogen und festgeschrieben worden sind.«
    »Und was fangen Sie mit dieser Erkenntnis an?«
    »Weiß ich nicht. Jedenfalls macht es mich neugierig.«
    »Neugierig wie Max Clinter?«
    »Ist das eine ernste Frage?«
    »Absolut ernst.«
    »Zumindest kapiert Max, dass der Fall nicht annähernd so wasserdicht geklärt ist, wie Sie und ihre Freunde vom FBI meinen. Und er kapiert, dass es zwischen den Opfern eine andere Verbindung geben könnte als den Besitz eines Mercedes.«
    »David, was haben Sie denn gegen das FBI ?«
    »Die Leute vom FBI übertreiben es manchmal mit ihren Entscheidungsrichtlinien, mit ihrer Kontrollobsession, mit ihren Abläufen. «
    »Die schlichte Wahrheit ist, dass diese Leute was von ihrem Fach verstehen. Sie sind klug, objektiv, diszipliniert und aufgeschlossen für gute Ideen.«
    »Heißt das, dass das FBI klaglos und pünktlich Ihr Beraterhonorar bezahlt?«
    »Soll das wieder so eine Bemerkung sein, die nicht als Beleidigung gedacht ist?«
    »Ich will damit nur sagen, dass wir gern das Gute in Menschen sehen, die das Gute in uns sehen.«
    »David, bei der Scheiße, die Sie erzählen, hätten Sie eigentlich Anwalt werden müssen.«
    Er lachte. »Witzig. Gefällt mir. Aber wissen Sie was? Wenn ich Anwalt wäre, hätte ich gern den Guten Hirten als Mandanten. Ich hab nämlich den Verdacht, dass die FBI -Theorie zu dem Fall ungefähr so stabil ist wie Rauch im Wind. Und irgendwie juckt es mich immer mehr, das zu beweisen.«
    »Verstehe. Viel Glück damit.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Gurney ließ das Handy zurück in die Tasche gleiten, während in seinem Kopf noch ihr ungewöhnlich aggressiver Ton nachhallte. Langsam glitt sein Blick über die Landschaft. Von dem Sonnenuntergang war lediglich ein violetter Fleck am grauen Himmel übrig, der wie ein riesiges geschwollenes Auge über den Bergen hing.
    »Wer war das?« Die Frage kam von Kim.
    Er drehte sich um. Sie, Madeleine und Kyle

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