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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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wollte versuchen, irgendwie an Bord zu kommen und sich dort als blinder Passagier zu verstecken. Anderen war das doch auch gelungen!
    Vielleicht hätte sie es auch geschafft, aber dann brach auf einmal ihr Ausschlag wieder aus. Nachts kratzte sie sich die Arme und Beine blutig, so schlimm, daß sie kaum laufen konnte.
    Und zweimal war Frau Mertens in ihr Zimmer gekommen, hatte das Licht angeknipst, so daß Gaby aufschrie und erschrocken in die Höhe fuhr.
    »Ist hier was?« fragte die Wirtin und sah sich um. »Du sprichst so laut, daß ich dachte, hier sei jemand.«
    Gaby schützte ihre Augen vor dem Licht. »Nein«, murmelte sie verstört. »Ich habe wohl nur schlecht geträumt.«
    Am dritten Tag bekam sie Fieber. Ihre Haut glühte, und vor Schwäche konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten.
    Trotzdem ging sie jeden Vormittag weg. Zu Frau Mertens, sagte sie, daß sie von der Post aus ihre Oma anrufen wolle, damit die sich keine Sorgen machte. In Wirklichkeit rannte sie vor dem Gefühl davon, verrückt zu werden. Hinter jedem Busch und Strauch sah sie Pappi, nachts streifte sein Bieratem ihr Gesicht; als sie gestern im Warenhaus einen Mann anrempelte, hatte sie gellend aufgeschrien.
    Aber allein in ihrem Zimmer war es noch schlimmer: Da saß er grinsend im Schrank, lugte augenzwinkernd unter dem Bett hervor, winkte ihr lachend vom Fenster zu. Dann hatte Frau Mertens wahrscheinlich die Polizei benachrichtigt. Auf jeden Fall standen eines Morgens zwei Beamte und eine Frau in ihrem Zimmer. Die Frau hatte ihre Hand auf Gaby Stirn gelegt. »Das Kind ist krank«, stellte sie fest und zu ihr gewandt: »Wie heißt du?«
    Gaby drehte den Kopf zur Seite und schloß die Augen. Sollte man sie doch einsperren.
    Sie sagte nichts.
    Die Männer durchsuchten ihre Sachen und fanden ihren Personalausweis: Gaby Mangold, dreizehn Jahre, wohnhaft in Hamburg-Altona.
    »Eine Ausreißerin. Wahrscheinlich schlechte Zensuren oder Liebeskummer?«

    »Ist es das?« fragte jetzt die Beamtin Pappi. »Hat Gaby vielleicht einen Freund? Oder Schwierigkeiten in der Schule?«
    Pappi reckte sich auf. »Unsere Gaby gehört zu den besten in ihrer Klasse. Und einen Freund? Aber doch nicht unser Engelchen. Schauen Sie sich das Kind doch an! Nein, nein, durchgedreht ist sie, verstehen Sie, die Hormone und so. Vielleicht steckte auch schon das Fieber in ihr.«
    Pappi schwieg, suchte nach weiteren Erklärungen.
    »Ja.« Nachdenklich sah der Polizist vor Gaby sie an. »Wir wollten sie schon von dem Amtsarzt untersuchen lassen, aber der war gerade in einer anderen Sache unterwegs. Auf jeden Fall muß Gaby zum Hausarzt.«
    »Natürlich, Herr Kommissar. Morgen gehe ich selbst mit dem Kind zum Arzt. Können Sie sich drauf verlassen.«
    Der Kommissar stand auf und ging zu Gaby. Er hob ihr Kinn in die Höhe. »Begreifst du, daß du deinen Eltern viele Sorgen bereitet hast? Was hätte dir nicht alles passieren können, allein, ohne den Schutz deiner Eltern.«
    Gaby schwieg.
    »Ein verstocktes Kind«, bemerkte die Beamtin spitz.
    »Sie ist krank«, verteidigte Pappi Gaby. »Wirklich, sie ist sonst ein folgsames, liebes Mädchen.«
    »Versprichst du uns, nicht wieder wegzulaufen?« fragte der Kommissar eindringlich. »Das hat keinen Sinn. Früher oder später finden wir dich doch, und du mußt zurück.«
    »Es gibt ja auch noch Erziehungsanstalten«, fügte die Frau hinzu. »Für die Unverbesserlichen.«
    Gaby sah auf ihre zerschundenen Arme und Beine. Überall bildeten sich dunkelrote, borkige Krusten, die bei der kleinsten Berührung wieder aufbrechen würden.
    Nein, es hatte keinen Sinn.
    Sie konnte nicht weglaufen.
    »Ja«, sagte Gaby, »ich verspreche, nicht wieder wegzulaufen.«

    »Geh nach hinten auf den Rücksitz«, sagte Pappi, und seine Stimme klang heiser.
    Gaby rührte sich nicht.
    »Ich sagte, steh auf, und geh nach hinten!«
    Es war dieselbe Stimme, die zu Achim gesagt hatte: Dir treib ich das aus, mein Bürschchen.
    Und damals, vor vielen Jahren, zu ihr, in der Küche, auf dem Sofa: Ich will aber nicht aufhören.
    Ein Blitz ohne Donner.
    Sie stand auf, öffnete die Autotür, klappte den Sitz nach vorne und kroch nach hinten.
    Einen Augenblick blieb Pappi ruhig sitzen, zog noch einmal an seiner Zigarette, die er dann sorgfältig auf dem Gitter des Autoaschenbechers ausdrückte.

    Vor der Polizeiwache hatte Pappi nur gesagt: »So, das wäre geschafft. Ich hoffe, es war dir eine Lehre. Steig ein!«
    Gaby hatte die Gefahr gespürt, gerochen, wie nach

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