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Gute Nacht Zuckerpüppchen

Gute Nacht Zuckerpüppchen

Titel: Gute Nacht Zuckerpüppchen
Autoren: Heide Glade-Hassenmüller
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herum, enger und enger, schnürten sie ein wie einen Kokon.
    Pappi knipste das Licht aus.
    »Gute Nacht, Zuckerpüppchen!«

9

    Es war alles nicht so schlimm. Gaby konnte nur den Kopf über ihre eigene Dummheit schütteln. So war es nun einmal, alle taten es, warum sollte sie sich nicht mit Pappi einigen. Er liebte sie, das sagte er immer wieder, liebte und begehrte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und wenn ein Mann liebte, dann gehörte das dazu. Und war es nun so entsetzlich? Wenn sie die Augen schloß und an etwas Schönes dachte, war es schnell vorbei. An einen Strandspaziergang, da spürte man den feuchten Sand wie lebendige kleine Tiere zwischen den Zehen, der Wind strich zart die Haare aus dem Gesicht, und auf der Zunge schmeckte man einen Löffel Seeluft. Ganz fest mußte man daran denken, dann spürte man fast keinen Schmerz. Und Pappi war zufrieden. Wenn Pappi zufrieden war, machte er fröhliche Scherze mit Mutti, nahm Mark geduldig auf den Schoß, wenn der quengelte, und ging abends nicht aus, um in der Eckkneipe Bier und Korn zu trinken.
    Muttis Falte zwischen den Augenbrauen glättete sich, manchmal sang sie sogar.
    Zweimal die Woche, hatte Pappi mit Gaby abgesprochen. Freitag mittags, wenn Mutti einkaufen ging, und Montag abends. Mutti wollte schon seit einiger Zeit zu einem Bridge-Abend. Erst war Pappi dagegen gewesen, aber jetzt sagte er: »Natürlich, Hetty, geh ruhig! Gaby und ich passen auf Mark auf. Ein wenig Abwechslung hast du ja wirklich verdient. Findest du nicht auch, Zuckerpüppchen?« Gaby drehte eine Locke um ihren Finger zu einer Spirale und nickte. »Natürlich, Mutti, geh nur.«

    Zweimal in der Woche war auszuhalten. In der Zwischenzeit ließ er sie in Ruhe. »Ich kann mich nicht auf meine Schularbeiten konzentrieren«, hatte Gaby Pappi vorgeworfen. »Wenn du jeden Tag an mir herumfummelst, kann ich nicht ruhig arbeiten.«
    Pappi hatte gelacht. »Natürlich, mein Engelchen, das begreife ich doch. Ist ja alles noch neu für dich. Aber ich verspreche dir, eines Tages wirst du es schön finden. Und dann wirst du deinem Pappi noch dankbar sein.«
    Gaby lächelte schwach und schwieg. Sie wußte, es hatte keinen Zweck, mit Pappi darüber zu reden. Der kleinste Widerspruch machte ihn wütend, und wenn er wütend war, schmerzte es mehr, aber es änderte nichts.
    Seit der Nacht im Rosengarten hatte sie es begriffen. Natürlich blieb die Hoffnung. Ihre Hoffnung war die Zeit. Irgendwann einmal würde sie erwachsen sein. Dann konnte sie gehen, wohin sie wollte, dann hatte keiner mehr Macht über sie.

    Als Dr. Rehbein sie am Morgen danach untersucht hatte, war sein Gesicht bedenklich. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Gaby. Für den Ausschlag kann ich dir wieder eine Salbe verschreiben, gegen das Fieber Tabletten, aber du mußt selbst auch gesund werden wollen.«
    Gaby hatte an Dr. Rehbein vorbei zum Fenster gesehen. Es schneite. Als Mutti damals nach ihrem Selbstmordversuch im Krankenhaus lag, hatte es auch geschneit. Und Mutti hatte gesagt, ja, vielleicht sollten wir neu anfangen. Aber es war bei den Worten geblieben.
    Gaby wollte neu anfangen. Sie wollte nicht mehr Tag für Tag in Angst leben. Jetzt wußte sie, was Pappi wollte. Es tat nicht mehr weh als mit seinen Fingern.
    Gaby wollte die Angst kontrollieren können, sie in ihren eigenen Händen haben.
    Mittags hatte Pappi ihr eine Hühnerbrühe gebracht. »Hat Mutti für dich gemacht. Sie ist jetzt mit Mark spazieren.« Mutti war noch böse auf sie, weil sie weggelaufen war und ihnen solche Sorgen gemacht hatte. Und natürlich wegen des Geldes, das sie mitgenommen hatte.
    »Keine Angst, Engelchen, ich rede mit ihr, dann wird alles wieder gut.«
    Pappi setzte sich in den Schalensessel und sah ihr zu, wie sie die heiße Brühe löffelte. Sie brannte auf der kaputten Zunge.
    Langsam entspannte Pappi sich und schlug die Beine übereinander.
    »Du bist doch mein vernünftiges Mädchen?«
    Gaby setzte vorsichtig die Suppentasse auf den Nachttisch und wischte ihren Mund mit dem Handrücken ab. Dann rutschte sie wieder etwas tiefer unter die Bettdecke. Sie hatte am frühen Morgen lange geduscht, ihre Haare gewaschen und ein sauberes Nachthemd angezogen.
    Sie sah Pappi an und machte ihren Vorschlag: »Ein- oder zweimal die Woche, dazwischen läßt du mich in Ruhe.«
    Erst hatte er sie fassungslos angesehen, so, als wenn sie eine Tür öffnete, die er immer bereit war aufzubrechen.
    »Meinst du das im Ernst, Engelchen?« hatte er
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