Guten Abend, Gute Nacht
wieder mit ihrer Bluse. Sie gelangte zu einer Entscheidung, sprach jedoch, ohne mich dabei anzusehen. »William machte sich Sorgen. Er wußte, daß er erheblich intelligenter war als die meisten anderen Studenten hier, hatte aber Angst, es zu zeigen. Anscheinend hatte er schon auf der High School gewisse Probleme, sich mit seinen Leistungen hervorzutun, Probleme mit seinen Klassenkameraden dort, meine ich. Also wollte er, daß ich Tests mit ihm durchführte. Er wollte wissen, ob er wirklich gut genug war, daß sich seine Angabe — das war sein Ausdruck dafür — lohnte.«
»Er wollte wissen, ob er klug genug war, daß es sich lohnte, als klug angesehen zu werden?«
»Ja. Ich sehe, das klingt überraschend für Sie. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß viele Kinder aus Minoritätengruppen für Leistungen in der Schule nicht die gleiche Unterstützung durch Familie und Peergruppen genießen wie andere Kinder. Wenn ein Minderheitenkind sich in der Schule auszeichnet, unterstellt man ihm, daß es sich an den Autoritätsfiguren der Schule orientiert. Williams Mutter schien ihn zu unterstützen, doch sein Vater war nicht mehr da, seine Freunde mißbilligten, was er machte, und sein Onkel, ein Militärangehöriger, der wahrscheinlich den Inbegriff an Autoritätsorientierung darstellte, war in Vietnam gefallen. Daher war William sowohl von außen als auch aus sich selbst heraus nicht motiviert, sein Potential, seine Fähigkeiten offen zu zeigen.«
»Ich verstehe.«
»Gut. Auf seine Bitte hin habe ich alle möglichen Tests mit ihm gemacht, von... Interessieren Sie die Namen?«
»Nein, nur das, was Sie herausgefunden haben.«
»Herausgefunden habe ich, daß William einer der begabtesten Studenten war, von dem ich je gelesen habe, geschweige denn, dem ich persönlich begegnet war. Seine Ergebnisse in allen möglichen kognitiven Tests gingen praktisch über die Meßskalen hinaus. Obwohl ich abstreiten werde, dies je gesagt zu haben: Die Zeit auf dieser High School muß für ihn etwa das gleiche gewesen sein, als würden Sie oder ich uns in eine Anstalt für geistig Zurückgebliebene einschleichen.«
»Haben ihn die Testergebnisse überzeugt?«
»Ihn überzeugt? Oh, ja, er wirkte tatsächlich irgendwie erleichtert, so als hätte man ihm gesagt, ein ungewöhnlicher Aspekt seiner Persönlichkeit sei völlig normal, wenn auch nicht durchschnittlich. Doch trotz dieser Testergebnisse machten es seine schlechten High School-Noten erforderlich, daß er sich hier, nun, sagen wir >vorbereitete<, bevor ein anderes College mit höherem Prestige ihn als Studenten aufnahm. Seine Beurteilungen waren vorzüglich, und mit Hilfe einiger unserer Professoren, die an ihn glaubten, konnte er schließlich ans Goreham wechseln.«
»Warum ausgerechnet Goreham?«
»Weil es ein gutes College ist.«
»Zugegeben, aber warum nicht Harvard oder eine der anderen Eliteuniversitäten? Ich meine, wenn er wirklich so außergewöhnlich war.«
Lopez sah mich stirnrunzelnd an und seufzte. »Einer seiner Freunde lateinamerikanischer Abstammung ist mit Hilfe eines wissenschaftlichen Stipendiums nach Harvard gegangen. Ein schwarzer Football-Spieler nach Dartmouth, angeblich auch aus akademischen, aber eigentlich aus sportlichen Gründen. Beide sind bereits im ersten Semester wieder geflogen. Der eine hat dann... nun, das ist eine andere Geschichte. Es reicht wohl, wenn ich sage, daß William, und ich ebenfalls, Goreham sowohl als sinnvoll als auch adäquat ansahen.«
»Sind Sie mit ihm in Verbindung geblieben, nachdem er dorthin gewechselt hatte?«
»Nein, nicht direkt. William schien sehr schnell in seiner neuen Umgebung aufzugehen. Er... vielleicht hat er einfach zu schnell versucht, zuviel zu ändern. Das Leben im Wohnheim, eine neue Freundin, das Mädchen, das er... das tote Mädchen, und, na ja, er hatte dort Schwierigkeiten.«
»Welche Art von Schwierigkeiten?«
»Akademische. Etwa in der Mitte des ersten Semesters ist er einmal hier gewesen. Er zeigte mir einige Referate, die er für Seminare geschrieben hatte. Und für die er durchschnittliche Noten erhalten hatte. Die Arbeiten hatten einige grammatische und orthographische Fehler, doch bei den schriftlichen Kommentaren des Professors ging es mehr um den Inhalt. Während Williams Arbeit durchaus argumentationsreich war, kam er doch nicht auf den Punkt. Er schien seine außergewöhnlichen Fähigkeiten nicht auf das gestellte Thema konzentrieren zu können. Statt dessen verzettelte er sich,
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