Guten Abend, Gute Nacht
Medikamenten-Tisch.«
»Den habe ich gesehen, ja.«
»Und hier sind unsere Stühle. Es gibt noch mehr Stühle in diesem Zimmer, aber das liegt daran, daß unsere Gruppe kleiner ist als seine anderen. Ist ja auch egal, so haben unsere Stühle immer gestanden, und da hat jeder von uns gesessen, wenn er nicht gerade derjenige war, der an diesem Abend vorgeknöpft wurde.« Linden malte kleine Quadrate für jeden Stuhl und schrieb die Vornamen aller Gruppenmitglieder dazu. Er zeigte auf die beiden Stühle neben Marek. »Hier haben William und Jennifer immer gesessen, und er hat zu Lainie gesagt: >Wieso rücken Sie nicht auf?< womit er näher zu sich meinte. Und sie hat gesagt: >Nein, ich sitze gut, wo ich sitze.<«
»Fanden Sie das nicht komisch?«
»Wieso denn?«
»Daß Lainie, die von Marek >träumte<, nicht näher bei ihm sitzen wollte?«
»Tja, sie hat mit diesem frechen Blick, den sie hat... hat nein gesagt, daher dachte ich, das wäre eben so ihre Art, mit ihm zu flirten, verstehen Sie?«
»Hat Marek vorher schon mal jemanden gebeten, sich auf einen anderen Platz zu setzen?«
»Nein, ich glaube, nicht.«
»Was hat Marek gemacht, als Lainie sich weigerte, den Platz zu wechseln?«
»Er hat sie mit seinem falschen Zahnpastareklame-Lächeln beglückt und was in der Richtung von >Nun, wieso unterhalten wir uns dann nicht erst mal ein bißchen< gesagt, und genau in diesem Moment ist dann William reingeplatzt.«
»Hat Marek mit William irgendwas anders gemacht als sonst?«
»Nein. Ich meine, William war ganz aus dem Häuschen wegen Jennifer. ‘Türlich wußten wir das da noch nicht, aber er war ganz aufgedreht, also hat Marek versucht, ihn zu beruhigen.«
»Und dann hat Marek ihm die Spritze verpaßt?«
»Genau. Aber wie ich schon beim letzten Mal gesagt habe, es schien nicht viel zu nützen.«
Ich blickte auf Lindens Skizze. »Zeigen Sie mir, wo Marek stand, als er die Spritze setzte.«
»Also, genau hier«, sagte Homer, und zeigte auf eine Stelle vor dem Stuhl in der Mitte.
»Dann war William, der auf dem Stuhl in der Mitte saß, zwischen Ihnen und Marek.«
»Richtig.«
Ich schwieg einen Moment. »Und ebenfalls zwischen Ramelli und Marek.«
»Genau zwischen Don und dem Doc, richtig.«
»Dann konnten Sie also eigentlich nicht sehen, daß Marek William die Nadel in den Arm gestochen hat. Und Ramelli auch nicht.«
»Also, nein, ich schätze, nicht.«
»Ich weiß, das hier ist nicht maßstabsgetreu, aber ich möchte, daß Sie sich darauf konzentrieren, wie es an diesem Abend im Gruppenraum gewesen ist. Von Lainies regulärem Platz aus, könnte Marek ihr die Sicht darauf versperrt haben, wie er William die Spritze setzte?«
Linden warf einen Blick auf die Skizze, drehte sie, um sie aus einer anderen Perspektive anzusehen, wie eine Straßenkarte, wenn man nach Süden statt nach Norden fahren will. »Schwer, mit Sicherheit zu sagen, aber nein, ich glaube nicht, daß er ihr den Blick versperren konnte.«
»Und wenn sie sich woandershin gesetzt hätte?«
»Auf den anderen Stuhl, meinen Sie?«
»Ja.«
Er studierte die Skizze wieder. »Ja, wenn sie auf dem anderen Stuhl gesessen hätte, dann hätte er genau zwischen ihr und William gestanden.«
Ich starrte die Zeichnung an.
Homer sagte: »Junge, mit Ihnen alles in Ordnung?«
Ich schaute zu ihm auf. »So ungefähr.«
ZWEIUNDZWANZIG
Ich verließ Lindens Haus mit der Skizze in der Innentasche meiner Jacke. Es dauerte noch ein paar Stunden, bis Clay wieder zum Dienst kommen würde, und mir war nicht danach, meine zarte Beziehung zu O’Boy dadurch zu gefährden, indem ich auf Clays Privatadresse insistierte. Dann dachte ich einen Augenblick nach. Cops in Boston achten darauf, daß ihre Privatnummer nicht im Telefonbuch steht. Drohanrufe oder Rachegelüste muß man ja nicht unbedingt noch provozieren. Aber hier in Calem?
In einem Drugstore in der Innenstadt fand ich einen Münzfernsprecher und ein Telefonbuch der westlichen Bostoner Vororte. Es gab zwei Clays, beide nur mit den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen aufgeführt. Ich konnte mich nicht erinnern, je Clays Vornamen gehört zu haben. Eintrag Nummer eins hatte noch nie etwas von Officer Clay gehört. Ich versuchte mein Glück bei Nummer zwei.
»Hallo?« meldete sich eine ältere, weibliche Stimme.
»Hallo. Mein Name ist John Cuddy. Ich bin Detektiv aus Boston, und ich versuche einen Polizeibeamten namens Clay aus Calem zu erreichen.«
»Ich fürchte, Harold steht nicht im
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