Guten Morgen, meine Schoene
Zimmer zu warten, bis sie sicher sein konnte, dass er im Bett lag und eingeschlafen war.
Dann würde sie sich nach unten schleichen, um Briannas Brief zu lesen und ihn notfalls bis zu ihrer Abreise vor Jed zu verstecken, falls darin etwas über Chance stand.
Das laute Gekreisch einer Krähe weckte Sarah.
Nach einem tiefen, traumlosen Schlaf dauerte es eine Weile, bis sie wach wurde. Sie reckte und streckte sich und blinzelte schläfrig, ehe sie schließlich die Augen öffnete.
Die Nachttischlampe brannte noch, obwohl es bereits dämmerte. Offenbar war sie gestern sofort eingeschlafen.
Eingeschlafen? Jäh erinnerte sie sich an Briannas Brief, und das machte sie schlagartig hellwach. Als sie sich unvermittelt aufsetzte, reagierte das Baby auf die plötzliche Bewegung mit einem Tritt. Beruhigend legte Sarah sich die Hand auf den Bauch.
Sie musste schnellstens nach unten und lesen, was in dem Brief stand. Entschlossen schwang sie die Beine aus dem Bett, verschwand kurz im Bad und schlich wenig später im Morgenmantel den Korridor entlang. Ausgerechnet vor Jeds Tür knarrte eine Diele. Sarah verharrte einen Moment reglos lauschend, doch nichts war zu hören. Als sie ihren Weg fortsetzte, befürchtete sie bei jedem Schritt, dass unvermittelt Jed hinter ihr auftauchen und sie zur Rede stellen würde.
Aber sie gelangte unbemerkt ins Arbeitszimmer und fand Briannas Brief. Erschöpft sank sie auf den Schreibtisch-stuhl und begann zu lesen.
»So früh schon auf Goldsuche?«
Sarah blieb fast das Herz stehen, als sie die tiefe Männerstimme vernahm. Sie bekämpfte den Impuls, eine Hand auf den Brief zu legen, und blickte zur Tür, an der Jed stand.
»Auf Goldsuche?«
Er schob das schwarze T-Shirt unter den Bund seiner Jeans.
»Nun ja, es heißt doch ,Morgenstund hat Gold im Mund’«, neckte er sie.
»Ach so.« Irgendwie brachte sie ein Lächeln zu Stande.
»Nein, ich bin nur früh aufgewacht und lieber gleich aufgestanden, um nicht wieder zu verschlafen.«
»Ja, ich habe dich an meiner Tür vorbeigehen hören und mich schnell angezogen, da ich dachte, es wäre Vicky oder…« Der Rest ging unter in Max’ Gebell.
»Ich lasse schnell den Hund raus«, sagte Jed. »Wenn ich zurückkomme, frühstücken wir zusammen. Vielleicht gönnen uns die Kinder ja noch ein halbes Stündchen Ruhe.«
Das war knapp gewesen! Sarah seufzte vor Erleichterung laut auf, als er gegangen war. Sie wagte sich nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn Jed sie um den Brief gebeten hätte.
Brianna hatte ihn kurz nach Jeralyns Tod geschrieben und darin Chance’ Leichtsinn beklagt, der ihrer, Briannas, Schwester das Leben gekostet hatte. Weiter hatte sie geschrieben, dass sie sehr gut verstehen könne, wenn Jed mit seinem Bruder nichts mehr zu tun haben wolle, und dass auch sie Chance aus ihrem Leben gestrichen habe.
Als Sarah Schritte in der Halle hörte, stopfte sie den Brief samt Kuvert hastig in die tiefe Tasche ihres Morgenmantels. Auf keinen Fall durfte Jed ihn lesen, ehe sie abgereist war.
»Wie fühlst du dich heute?« fragte Jed, nachdem sie zusammen gefrühstückt hatten und er aufstand, um das Geschirr abzuräumen.
»Ganz gut. Vielleicht ein wenig schlapp.« Sarah schob sich eine Vitamintablette in den Mund und trank Milch hinterher.
Mit grimmiger Miene betrachtete Jed ihr blasses Gesicht.
Er machte sich ernsthaft Sorgen um sie, denn sie sah heute Morgen nicht nur ,ein wenig schlapp’, sondern richtig elend aus. Wieso dauerte es so lange, bis die Straße repariert wurde? Nicht einmal zu einem Arzt konnte er Sarah fahren.
Er ging zum Wandtelefon und hielt den Hörer ans Ohr.
Nichts war zu hören. Ungeduldig drückte er mehrmals auf die Gabel, doch die Leitung blieb tot.
»Funktioniert es noch immer nicht?« fragte Sarah.
»Leider nein.« Er legte wieder auf.
Als er sich umdrehte, stolperte er über Max, der ihm unbemerkt gefolgt war. Jed verlor das Gleichgewicht, prallte mit der Schläfe gegen einen Wandvorsprung und landete mit Händen und Knien auf dem Boden.
Benommen rappelte er sich wieder hoch und rieb sich die schmerzende Schläfe. »Au! Das tut…« Er blinzelte und begann zu schwanken. Wie durch einen Nebel sah er Sarah auf sich zukommen, spürte, wie sie ihn am Arm stützte.
Sie schien auch etwas zu sagen, aber in seinem Kopf herrschte plötzlich ein wirres Durcheinander. Goldene Sterne blitzten vor seinen Augen, Bilder tauchten aus dem Unterbewusstsein auf. Er sah eine Frau mit leuchtenden braunen Augen und
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