Guter Sex Ohne Stress

Traumblase platzen. »Weshalb ich aber eigentlich hier bin: Ich hasse mich dafür, dass ich beim Sex einfach nicht richtig funktioniere!« Am Ende des Satzes rutscht Anna in sich zusammen und beginnt zu weinen. Nach einer Weile schweigendem Weinen frage ich: »Was heißt das denn, Sie funktionieren nicht richtig beim Sex?« – »Ich komme einfach nicht! Markus kann sich Mühe geben, wie er will. Er massiert mich, er leckt mich, er liebt mich in den Stellungen, die mir am meisten Spaß bereiten – nichts bringt mich mit ihm zum Orgasmus!« Stopp mal, denke ich. Sie sagte doch eben »mit ihm« zum Orgasmus. Das heißt, es gibt schon andere Möglichkeiten für Anna. Mein Gedanke bestätigt sich gleich. »Ich komme nur mit diesem verdammten Vibrator, wenn ich es mir selbst mache. Ich verfluche den Tag, an dem ich ihn gekauft habe. Vielleicht könnte ich einfach so kommen, wenn ich mir das niemals angewöhnt hätte?«
    Es dauerte mehrere Stunden mit ihr allein und auch zusammen mit ihrem Mann Markus, um Anna den Funktionsdruck zu nehmen. Sie bestand am Anfang der Therapie darauf, »natürlich« zu kommen. Anna war es gewohnt, alles allein zu lösen und empfand es als richtige Niederlage, für ihren Orgasmus im wahrsten Sinne des Wortes nicht eigenhändig sorgen zu können. Außerdem plagten sie extreme Schuldgefühle Markus gegenüber, dass sie nicht beim gemeinsamen Sex den Höhepunkt erreicht. Anna hatte sogar ihrem Mann aus Scham verschwiegen, dass sie mit einem Vibrator sehr wohl Orgasmen erleben konnte. In unserer letzten gemeinsamen Sitzung gesteht sie ihm endlich: »Markus, ich habe einen Vibrator und mit dem klappt es.« Als der Satz raus ist, blickt Anna mit hochrotem Kopf nach unten. Markus drückt sie an sich und schaut ihr fest in die Augen: »Mensch, warum hast du das nicht schon längst mal gesagt? Dann nehmen wir den Zauberstab mit ins Bett. Und dann werd ich wohl mein blaues Wunder mit dir erleben!« Ein paar Tage später erhalte ich eine E-Mail: »Blaue Wunder gibt es wirklich! Anna und Markus.«
    Frauen wie Anna, die sich selbst unter extremen Funktionsdruck setzen, erlebe ich immer wieder. Dabei ist es doch schön, dass heutzutage kleine Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um die Lust auf die Spitze zu treiben – nicht nur allein, sondern auch im gemeinsamen Liebesspiel. Allerdings ist noch längst nicht jeder Partner so entspannt wie Markus. Manchmal reagieren Männer als auch Frauen verunsichert und eifersüchtig auf die kleinen Lustspender. Dabei ersetzt ein surrender Vibrator natürlich noch lange nicht die Nähe und Geborgenheit eines geliebten Menschen aus Fleisch und Blut. Für Paare, die sich einander emotional sicher sind, können Sexspielzeuge eine echte Bereicherung sein. Am besten stöbert man gemeinsam durch das schier unübersehbare Angebot an farbenfrohen Artikeln und probiert einfach das ein oder andere unbefangen aus. Manches Teil wird sicher zu Lachern führen und ein anderes Stück hat vielleicht das Potential zum Dauerbrenner.
    Nachdem Sexspielzeuge lange Zeit unter »Hilfsmittel zum Abbau des natürlichen sexuellen Verlangens« rangierten, wurden sie nach der sexuellen Revolution salonfähig. Bereits in jedem fünften Haushalt schnurrt längst nicht nur die Katze im Schoß der Frau. Trotz steigender Beliebtheit von Vibrator und Co. halten sich die Deutschen beim öffentlichen Kauf lieber zurück. Der Wunsch nach diskretem Erwerb lässt nicht nur das Internetgeschäft florieren. Statt Tupperparty gönnt sich heutzutage so manche Frauenrunde auch den Besuch der Dildofee direkt im Haus. Die Dildofee ist kein Phantasieprodukt, sondern eine Firma cleverer Geschäftsfrauen, die ihren Geschlechtsgenossinnen im kuscheligen Wohnzimmer mit Witz und Charme die Vorzüge von Dildo, Vibrator, Liebeskugel und vielem mehr ans Herz oder besser in den Schoß legt. Am Ende eines solchen Abends gibt es dann meist neugierig und vorfreudig beschwingte Kundinnen und eine glückliche Dildofee mit dicker Brieftasche.
    Obwohl also viele Deutsche das eine oder andere Spielzeug im Schlafzimmer benutzen, lieben sie Sex doch im Grunde ganz konservativ. Gerade mal drei Prozent der Männer und Frauen stehen auf spezielle Sexpraktiken. So gehören zum Beispiel die Käufer von Keuschheitsgürteln und Peniskäfigen für die totale Kontrolle, Sexpuppen, Harnröhrenerweiterungs-Sets oder Reise-Analduschen zu einer Minderheit.
    Glaubt man der Top-Seller-Liste eines bekannten deutschen Erotik-Versands, stehen