Guter Sex Trotz Liebe

ausgelöste Fremdheit bleiben? Und wo kommt Ihnen dieser Abstand gerade recht?

    Ob das ISS eine Fantasie oder ein Wunsch ist, bleibt offen. Nicht jedes ISS drückt einen Wunsch aus, der unbedingt realisiert werden muss. Daran sollten Sie denken, wenn Sie als Zuhörer das ISS als Appell, als Aufforderung mit einem Erwartungsdruck verstehen. Zugleich dürfen Sie die Möglichkeit, das ISS als Wunsch zu verstehen, nicht ausschließen.

    Der Umgang mit dieser Aufgabe ist so unterschiedlich wie Paare unterschiedlich sind. In der Gestaltung der Aufgabe inszeniert dasPaar seine eigene erotische Choreografie. Nicht nur, was aufgeschrieben wird, sondern wie mit der gestellten Aufgabe umgegangen wird, zeigt den Zugang zur Mann-Frau-Dramaturgie des jeweiligen Paares.

Beispiele für Verhandlungsverläufe
    Die Verhandlungen über das ISS können sehr verschieden verlaufen. Häufig stehen die ausgelöste Bedrohung und der eventuelle Zweifel an der Beziehung im Mittelpunkt. Ein paar charakteristische Beispiele möchte ich Ihnen hier zeigen:

    1. »Flucht in die Zärtlichkeit«, Mascha und Armin
    Sie ist sexuell unzufrieden, weil er sich sexuell zurückzieht. Nachdem beide ihr ISS aufgeschrieben haben, zeigen sie es sich gegenseitig. Sie warten den vereinbarten Termin eine Woche später nicht ab. Sie fanden das jeweilige ISS sehr schön. Deswegen setzten sie es sogleich in die Tat um. So haben sie sich gleich am darauf folgenden Wochenende viel Zeit für Zärtlichkeiten genommen. Mascha sagt: »Ich schätze es sehr zu spüren, dass ich ihm die Zeit wert war.«
    Armin und Mascha haben auf den ersten Blick davon profitiert, das ISS »unterlaufen« zu haben. Ihre Bewertung kam zu dem Schluss, sich damit etwas Gutes getan zu haben. Auf jeden Fall ist die Begegnung, die sie beschreiben, nicht zu unterschätzen. Sie hat freundliche Nähe und Gemeinsamkeit ermöglicht.

    Allerdings hat sich das Paar auf diese Weise nicht mit seinem sexuellen Unterschied auseinander gesetzt. Beide haben vermieden, die Spannung des Nichtwissens bis zur nächsten Sitzung auszuhalten. Sie sind der Absicht aus dem Weg gegangen, auf den Unterschied zu kommen und sich darüber auszutauschen. Sie haben sich in eine kuschelige Komfortzone begeben.
    Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn die Zärtlichkeit nicht etwas ganz Dramatisches versteckt hätte: Ich habe später von beiden erfahren, dass Mascha dahinter kam, dass Armin gelegentlich Sex mit Männern gehabt hatte. Beide hatten sich innerhalb der Wohnung getrennt und gingen weitgehend eigene Wege.

    2. »Das ISS wird noch nicht offen gelegt«, Ina und Michael
    Ina und Michael, beide Ende 30, kommen im Lauf ihrer Verhandlungen zu dem Schluss, das ISS nicht offen zu legen. Ina hatte sich sexuell zurückgezogen, weil sie das Gefühl hat, Michael sei zwar an Sex mit ihr interessiert, gehe aber wenig aufmerksam mit ihr um .
    Â»Ich fühle mich von ihm zu wenig gesehen.« Michael versucht immer wieder, sexuell aktiv zu werden. In seinem Begehren geht er also in die Offensive. In der Auseinandersetzung mit Ina ist er allerdings in der Defensive. Er sieht sich in einer schwierigen Position: »Ich mache alles falsch, ich muss mich für alles rechtfertigen.«
    Beim Vorverhandeln über das ISS sagen beide Partner, es käme ja ohnehin nichts Neues heraus: Sie könnten sich schon denken, was der andere aufgeschrieben habe. Da seien ja nur die alten Erwartungen drin und es gebe eh nur Streit. Ina sagt: »Von wegen.« Sie versucht, Michaels Interesse mit dieser Bemerkung herauszufordern. Er geht aber nicht darauf ein .

    Bei Ina und Michael ist die Zeit noch nicht reif, sich erotisch weiterzuentwickeln. Noch gelingt es nicht, sich aus dem Streit herauszudenken. Die beiden quälen sich damit. Aber das bekannte Unglück scheint ihnen immer noch besser als das Risiko eines unbekannten neuen Schritts. Bei Ina und Michael könnte man sagen, dass das ISS nichts gebracht hat. Das stimmt insofern, als sie keinen neuen Gesichtspunkt ins Spiel gebracht haben und inder Vorwurfsfalle hängen geblieben sind. Mit einer etwas optimistischeren Sicht könnte man aber auch sagen: noch nicht. Immerhin spielt Ina darauf an, dass es noch etwas Neues bei ihr zu entdecken gäbe. Der Ball liegt damit bei Michael. Und er hat keine schlechten Karten, wenn er einen günstigen Moment nutzt, um sein Interesse an Inas ISS