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Gutgeschriebene Verluste - Roman mémoire

Gutgeschriebene Verluste - Roman mémoire

Titel: Gutgeschriebene Verluste - Roman mémoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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zufriedener Unternehmer im gehobenen Tourismusgeschäft, war ein Mann der ersten Stunde in der Spielzeit ’ 78 /’ 79 . Danach paßten die Dinge nicht mehr recht zusammen. Das kleine Café verlor sogar seinen Namen. Per Anwaltsschreiben untersagte das Reichsbahnnutzern bekann- te Restaurationsunternehmen Mitropa die Namensverwendung. Der Drohbrief aus der DDR wurde tagelang von Tisch zu Tisch herumgereicht und viel belacht – das Schöne in Westberliner Zeiten war ja, daß man sich um Ostberlin nicht kümmern mußte. Doch als weitere Anwaltsbriefe immer schärfere Gegenmaßnahmen ankündigten, entschloß sich der Besitzer, den an der Hausfront angebrachten, in Neon nachgeahmten Schriftzug des inkriminierten Wortes zu kappen und sich – dem Weltfrieden zuliebe – mit dem Anfangsbuchstaben zu begnügen. So veränderten sich der Name, das Publikum, das Image – von der vermeintlich swingenden, gemeinsamen Ekstase und dem mikrokosmischen Gemeinschaftsgefühl konnte in einem Café M nur noch in sehr günstigen Momenten die Rede sein. Der Hausgeist wandelte sich, die Musiker bekamen richtig zu tun, meine Malerbekannten verlagerten sich in bessere Restaurants, und Doktor Karin wandte sich vom Undergroundfilm ab und dem deutschen Kino zu. Warum sie mich immer öfter und schließlich endgültig mied, erfuhr ich erst mit jahrelanger Verspätung. Der Grund war ein Wohnungsstreit, den sie mit ihrem Freund Harry und dessen längst bei ihnen eingezogenen Geliebten Meyer ausfechten mußte; die beiden erweiterten ihre Beziehung mit sich zunehmend in den Räumen ausbreitenden, wechselnden Besuchern. Seinerzeit beklagte Doktor Karin wiederholt diesen, wie sie sagte, Rudelsex bei ihr zu Hause – ständig fünf halbnackte Athleten in der Küche, das Dauergrinsen wär irgendwann mal zuviel. Dann überlaß den Jungs doch deine Wohnung und geh, soll ich damals geraten haben, was von ihr als klare Parteinahme verstanden worden war.
     
    Und Leiser? Für ihn gab es Wichtigeres, als sich weiterhin in dieser, von ihm offenbar lange genug als Kulisse betrachteten Café-Kneipe-Szenerie zu bewegen. Sein Talent als Schriftsteller verpflichtete ihn zu einer eher arbeitsam zurückgezogenen Lebensweise. Das hat er selbst natürlich nicht so ausgedrückt, aber um so strikter befolgt.
     
    An den Abend, an dem er Abschied vom gastronomischen Ausdruckstanz nahm, kann ich mich noch sehr genau erinnern. Er begann im Mitropa, wo an diesem Tag nach einjähriger Pause das Erscheinen der zweiten Nummer von LEO gefeiert wurde – daß es zugleich die letzte war, wußte zu dem Zeitpunkt keiner. Die meisten Beiträger des Heftes, Katja, Dizzy, die Müllers e tutti quanti füllten den kleinen Raum, noch einen Tick aufgeregter und bei noch höherem Weißweinverbrauch als sonst. Später wechselten wir mit einigen anderen in die Domina-Bar, und eh ich mich versah, hatte Leiser sich unter die Hocker am Tresen niedergelegt – lang ausgestreckt wie im Bett, die Hände überm Bauch gefaltet. Er würde sich gern etwas ausruhen, flüsterte er mir ins hinuntergehaltene Ohr – aber doch nicht in diesem schmalen Gang, sagte ich, direkt unter den über dir sitzenden, fußtrittbereiten Leuten. Denen machte ich klar, daß sie in Ruhe weitertrinken könnten, sich darüber hinaus aber eine Zeitlang ohne vorherige Bodenkontrolle nicht bewegen sollten. Leiser war ja ein sehr willensstarker Mensch und daher auch von seinem Schlafversuch nicht abzubringen. Erst von dem knirschenden Geräusch, mit dem dann doch jemand seine aus dem Gesicht gerutschte Brille zertrat, schreckte er hoch und schaute mich mit schweren, von zwei Litern Wein heruntergedrückten Lidern an. Jemand hat meine Brille zertreten, sagte er mit den Trümmern in der Hand – und ich sagte, komm, laß uns gehn. Katja und ich hakten ihn unter, die beiden lachten auf dem heftig verwackelten Weg zum Taxi, während mich die seltsame Ahnung beschäftigte, daß Leiser in dieser Nacht womöglich eine Grenze erreicht haben könnte. Den auf der Potsdamer herangewunkenen Taxifahrer mußten wir mit einem Extra-Zwanziger von der Notwendigkeit dieser Tour überzeugen.
     
    Auch nach der ereignisreichen Saison ’ 78 /’ 79 verkehrte ich noch eine Weile im bald umgetauften Café in der Goltzstraße. Dizzy ging für den Rest seines Lebens in die USA , Leiser in die lebenslange Abstinenz, die er in seinem Romanbergwerk für nötig hielt – engster Vertrauter verlustig, mußte ich mich mit weniger begnügen.
     
    Ja, das war

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