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Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Titel: Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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Janusklause war bereits zu dieser frühen Stunde voller Menschen. Aber an diesem ewig dunklen Ort spielte die Tageszeit keine Rolle. Viele der Menschen, die tief unter Cölns Straßen lebten, hatten lange schon kein Tageslicht mehr gesehen – einige noch nie.
    Absolon suchte sich einen freien Tisch in einer Nische, etwas abseits des Trubels, und beobachtete die Gäste. Zwielichtige Gestalten, denen die Dummheit aus den Augen schien, die nichts als die Befriedigung ihrer Gelüste im Sinn hatten. Blausüchtige, Trinker, Spieler, Hurenstecher – allesamt eitriger Auswurf, der schlimmer stank als Magister Pötts‘ verwesender Körper.
    Ein Mädchen kam an seinen Tisch und er bestellte einen Krug Bier. Sie musste neu hier sein, er kannte sie nicht. Er sah ihr nach, als sie sich auf dem Weg zur Theke mit wiegenden Hüften zwischen den Betrunkenen hindurch schlängelte. Festes weißes Fleisch, schlanke Fesseln, knospende Brüste, das Gesicht noch nicht vom Alkohol gezeichnet oder von der Syphilis entstellt. Wie alt mochte sie sein? Elf, zwölf Jahre? Absolon leckte über seine Lippen. Als sie das Bier vor ihn auf den Tisch stellte, packte er ihr Handgelenk. Er konnte die Ekelwellen spüren, die ihr bei der Berührung seiner knotigen Finger durch den Körper schossen, doch sie versuchte nicht, sich aus dem Griff zu lösen.
    »Wann findet die nächste Auktion statt?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf und sah sich ängstlich um. Absolon ließ eine Münze über den Tisch rollen und steckte sie wieder in die Tasche. Er ließ ihre Hand los und schlug die Kapuze zurück. Das Mädchen atmete flach. »Ich kenne Euch«, sagte sie. »Ihr seid Magister Pötts‘ Schüler.« Ihre Blicke glitten über die Narben in seinem Gesicht. Unbefangen musterte sie das grobmaschige rote Netz, das die rechte Seite vollkommen bedeckte.
    Absolon schüttelte den Kopf. »Der bin ich, doch du kennst mich nicht.« Seine Stimme wurde zu einem rauen Flüstern. »Und du solltest es dir auch nicht wünschen.« Er hielt ihr die Münze hin und sie schnappte sie ihm aus der Hand, berührte dabei seine Finger. Wieder das unwillkürliche Zittern ihres Körpers. Daran war Absolon gewöhnt und es kümmerte ihn nicht. Nicht mehr. »Also«, sagte er. »Die Auktion. Wann findet sie statt?«
    »Übermorgen«, flüsterte sie und wandte sich um.
    Wieder griff er ihr Handgelenk und zog sie zu sich heran bis er ihren Atem auf der Wange spüren konnte. Mit der anderen Hand griff er unter den Rock und berührte das zarte Fleisch ihrer Schenkel, ließ die Finger langsam nach oben gleiten, beobachtete, wie ihr Gesicht sich vor Ekel und Furcht verzerrte. Dann stieß er sie von sich und machte eine abwehrende Handbewegung. »Geh«, sagte er.
    Sie flüchtete ins Gewimmel der betrunkenen, lauten, schmutzigen Gestalten, ohne sich noch einmal umzusehen. Absolon hob die Hand an seine Nase und schloss die Augen – sog ihren Duft ein und bewahrte ihn in dem kleinen schwarzen Kästchen in einem weit abgelegenen Raum seines Geistes auf.
    Er leerte seinen Krug und machte sich auf den Heimweg.
    Zwei Tage. Es war unwahrscheinlich, dass er Magister Pötts‘ Körperfunktionen noch zwei Tage aufrechterhalten konnte. Er würde das Gehirn seines Meisters isolieren müssen.
     
    ***
     
    Feuer, Erde, Wasser, Luft. Und das fluoreszierende Blau, das alles zu etwas Vollkommenen einte. Auseinandergestoben, verflüchtigt, verloren und gefunden. Weggeschwemmt und zerrissen, aufgelöst, verdampft und herabgeregnet. Kreisläufe, die so einfach und einzig sind, und so besonders wie die Made, die irgendwann ihre schimmernden Flügel ausbreitet; wie ein Ahornblatt im Herbstwind; ein Tropfen, der sich mit anderen eint, zu fließen und zu strömen beginnt, um im unendlichen Meer zu enden und wieder aufzusteigen.
    Doch was treibt die Tropfen dem Meer entgegen, was bringt die Made dazu, sich zu verpuppen? Warum klammert das Blatt sich nicht an seinem Ast fest und lässt sich stattdessen willig vom Baum reißen, wissend, dass dies das Ende bedeutet?
    Hunger. Hunger nach Vollkommenheit, nach Wissen, nach Wandlung. Nach Leben.
    Und die zerstobenen, verwässerten Moleküle regten sich im Abwasserkanal, erinnerten sich ihrer Form, ihrer Zusammenhänge, suchten und fanden sich. Entstanden neu, anders, gleich und einzig.
     
    Felix erwachte in einem kalten stinkenden Rinnsal. Verfaulte Essensreste und Fäkalien schwammen um ihn herum. Er schüttelte sich das Fell aus, watete an den trockenen Rand und begann

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