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Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Titel: Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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sich zu putzen. Pedantisch leckte er jeden Winkel seines Körpers sauber. Als er seine Genitalien säuberte, spürte er ein Ziehen in den Hoden, das durch seinen gesamten Körper schoss wie ein elektrischer Schlag. Wie lange war es her, dass er so etwas gespürt hatte? Er hielt inne und schnupperte an seinem Fell. Er roch anders. Es war nicht der Gestank des Abflusses, den er so intensiv wahrnahm, da war noch etwas Anderes, Frisches, Starkes. Etwas, das ihn die Krallen ausfahren und ein tiefes Knurren ausstoßen ließ. Noch niemals hatte er eine solche Kraft in sich wahrgenommen.
    Aus der Dunkelheit schälten sich die Umrisse von Körpern. Sie näherten sich vorsichtig, mit aufgeregt wedelnden Schwänzen. Katzen und auch einige Kater strichen um Felix‘ Körper, rieben sich an seinem Hals, boten ihm den Hintern dar. Er beschnupperte jeden einzelnen von ihnen, lernte sie kennen und zu unterscheiden, teilte jedem einen Rang zu. Dann zog er los, sein Gefolge im Schlepptau, ohne zu wissen, wohin er wollte, was er tun wollte. Aber das war nicht wichtig, er wusste, dass er alles erreichen konnte – was das war, würde er zu gegebener Zeit schon herausfinden.

5
     
    Guy lehnte mit dem Rücken an einer Mauer, keuchte, riss sich die Krawatte vom Hals, die Rußmaske vom Gesicht, beugte sich vor und stützte sich mit den Händen auf den Knien ab. Die dicke Luft brannte in seinen Lungen, er versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
    Als der Sarg im Boden verschwunden war und die Eisentüren mit einem Scheppern zuschlugen, hatte Guy sich umgedreht und war gegangen. Er hatte die Blicke in seinem Rücken gespürt, gehört, wie Fräulein Weber seinen Namen rief. Keinen Moment länger hätte er diesen Ort ertragen können. Die Sinnlosigkeit der Beisetzung, die keine Beisetzung war. Sie würden ihre Leiche öffnen, in ihr herumwühlen wie Stadtstreicher in Mülltonnen. Auf der Suche nach Blausteinen, dem Grundstoff für das, was die Welt anzutreiben schien. Ambrosia. Dieses verdammte Teufelszeug. Guy wischte sich über die Augen und sah sich um. Der Turm des Doms ragte über den Häuserdächern auf. Er musste über eine Stunde ziellos durch die Straßen gelaufen sein. Der Schmerz hatte ihn gefangen genommen, alles andere ausgeblendet, ihm den Hals zugeschnürt. Er brauchte etwas zu trinken. Etwas Starkes, etwas, das ihm half, den Schmerz zu bändigen, der in ihm tobte.
    Auf der anderen Straßenseite flackerten Laternen über dem Eingang eines der bekannten »Etablissements«. Ein Hurenhaus, Treffpunkt für zwielichtiges Volk und angesehene Bürger. Guy lachte bitter. Gab es einen Unterschied? Vielleicht hatte es den einmal gegeben, aber das war lange her.
    Er steckte seine Schutzmaske in die Manteltasche und ging über die Straße, wich einem Automobil aus und öffnete die Eingangstür. Süße, warme Luft schlug ihm ins Gesicht. Und der Geruch nach hochprozentigen Träumen.
    Ein donnernder Knall, kurz darauf ein zweiter. Guy schreckte herum. Über den Dächern der gegenüber liegenden Häuser stieg eine Rauchwolke auf. Jemand schrie. Guy setzte sich in Bewegung, rannte über die Straße und bog in die nächste Gasse ein. Glassplitter und Backsteine bedeckten die Pflastersteine, in einer Häuserfront klaffte ein riesiges Loch. Alles war voller Qualm, der die schwere Luft noch schwerer machte.
    Männer rannten auf die Unglücksstelle zu. Ein kleines Mädchen lief weinend zwischen ihnen umher. Aus einer Stirnwunde rann Blut. Eine Frau schrie, riss das Kind an sich, verschwand im Qualm. Eine Trillerpfeife schrillte. In der Ferne heulten Sirenen. Einige Männer bildeten eine Kette. Wassereimer wurden durchgereicht, in die Hausöffnung geschüttet. Es roch nach Feuer, aber keine Flammen waren zu sehen. Durcheinanderrennen, Schreien, Weinen.
    Nur ein Mann ging unbeteiligt durch das aufgeregte Treiben. Er richtete seinen Hut, schlang den Schal fester um den Hals, hielt sich dicht an den Häuserwänden.
    Guy griff nach seiner Schutzmaske und wurde zu Seite gestoßen. Er prallte gegen einen herabgestürzten Balken, stolperte, fing sich ab und sah, wie der Mann um die Ecke bog.
    Verfluchtes Anarchistenpack! Guy nahm die Verfolgung auf. Als der Mann die Unglücksstelle hinter sich gelassen hatte, beschleunigte er seine Schritte. Gelegentlich sah er über die Schulter, aber Guy hielt sich im Schatten und drückte sich in die Hauseingänge, wenn der Verdächtige stehen blieb, oder den Kopf wandte. Er bog in eine Gasse ein. Guy legte

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