Gwen (German Edition)
sie, um eine kurze, aber überraschende Aufwallung katholischer Sündenangst zu überwinden. „Göttin“, begann sie erneut, probte den ungewohnten Namen wie ein neues Lied, „Göttin, ich grüße dich!“
Sie fühlte die Mutter Erde unter sich, hörte das Glucksen des Wassers neben sich und sah die aufgehende Sonne vor sich. „Göttin, ich grüße dich in der Erde, im Wasser, und in der Morgenröte.“
Und plöt zlich ging es ganz leicht. „Ich grüße dich in den Blüten auf dem Altar, im Rauch, in der Flamme und in der Klarheit des Kristalls. Ich grüße dich im Tanz der Fische im Wasser, im Frosch auf dem Blatt und in der Seekuh mit ihrem Kind.“
Es war wie ein Heimkommen und gipfelte in der tiefen Erkenntnis, dass Gwen selbst ein Teil der Göttin war. Und dass sie, wenn sie die Göttin anrief, zu der Lebenskraft in sich selbst und in all dem Leben um sie herum sprach.
Seufzend meditierte Gwen eine Zeit lang, bis die Räucherstäbchen abgebannt waren und Lang eweile und Stechmücken das Ende des Rituals besiegelten. Nach einem letzten liebevollen Blick auf den Steinkreis - ihren Steinkreis - verließ sie ihn. Auf ihrem Rückweg kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht doch auch dem männlichen Aspekt der Natur huldigen sollte. Schon aus Gründen der Ausgewogenheit. Gwen hatte auch schon eine Idee. Aber die musste bis heute Abend warten, denn vorher hatte sie noch einen Bericht für die Londoner Zentrale über die positive Entwicklung der Finanzen von Survival USA zu schreiben.
„ Statler! “
Die Stimme kannte Dirk, auch ohne dass er hinsah.
Dirks Sekretärin stolperte hinter Gwen in den Konferenzraum rein. „Entschuldigen Sie, Sir, aber ich kann nichts dafür! Ich konnte nicht …“
„Schon gut!“ Dirk winkte ab. Klar konnte sie nichts dafür. Gwennie konnte man nicht aufha lten. Sein Pech, dass sie zufällig in dieses wichtige Meeting reinplatzte.
Dabei war sich Dirk sicher gewesen, dass nichts nach außen gedrungen war von dem Besuch der Vertreter dieser russischen Pharmakette, die Dirk als Abnehmer für Triustat gewinnen wollte. Sonst hätte er sich ja denken können, dass SURVIVAL Stunk machen würde. Wie zum Teufel hatte Gwennie es rausgekriegt?
Die Russen starrten ihr hinterher, wie sie mit wi ppenden roten Locken auf Dirk zumarschierte. Zwei Meter vor ihm blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Zu seinem Ärger bemerkte Dirk, wie sein Puls zu pochen begann.
„Komm mit!“ Diesen Racheengel-Tonfall hatte sie drauf. Und diesen verteufelt sexy grünen Blick. Sie drehte sich um und ging raus, ohne sich umzusehen, ob Dirk ihrem Befehl gehorchte.
Einen Dreck würde er!
Immerhin hatte er hier eine wichtige Konferenz zu leiten und sicher keinen Bock, sich um Gwennies Zicken zu kümmern. Andererseits drängte es ihn aber auch, ihr zu folgen. Wer wusste schon, was für eine SURVIVAL-Scheiße die Russen erwartete, wenn sie das Verwaltungsgebäude wieder verließen. Vielleicht war es doch besser, zu kontrollieren, was sie vorhatte. Zur Schadensbegrenzung.
„Meine Herren“, sagte Dirk zu den Russen, „wir haben heute lange genug geredet. Sie sind sicher noch müde von Ihrer Anreise. In Ihrem Hotel erwarten Sie noch ein paar Erfrischungen. Morgen sehen wir uns dann wieder zur Fabrikbesichtigung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!“
Mit einem kurzen Nicken übergab er Krämer das Ruder, ging lässig nach draußen in den Vorraum, schloss sie Tür und rannte. Erst unten am Ausgang holte er Gwennie ein. „Was zum Teufel hast du vor?“ Ein schneller Rundumblick zeigte ihm, dass keine SURVIVAL-Aktion stieg. Zumindest nicht hier auf dem Fabrikgelände.
„Ich will dir etwas zeigen“, sagte sie und lief weiter.
Dirk folgte. „Und was?“
„Das siehst du dann schon.“
„Hör zu, Gwennie, du hast mich gerade aus einer wichtigen Sitzung rausgeholt. Ich hoffe für dich, dass du einen echt guten Grund dafür hast.“
„Natürlich habe ich den .“ Sie ging raus aus dem Fabriktor und runter zum Fluss. Es wurde schon dunkel, und die Spätschicht fing gerade an.
Die Russen wären ein Riesenabsatzmarkt für Triustat. Denn bei dem ganzen Produkt 4, das zu rzeit produziert wurde, musste Dirk das nebenbei anfallende Triustat ja auch irgendwie loswerden. Möglichst gewinnbringend. Und Rubel ließen sich recht steuerverträglich in Schweizer Franken umwandeln.
„Siehst du das?“ Gwennie zeigte auf das Wasser, in dem die unbrauchbaren Produktionsrückstände
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