Gwen (German Edition)
vorsichtshalber, „dann verpissen Sie sich! Ich hab euch Typen schon klargemacht, dass ich keine Scheiß-Interviews gebe!“
„Verschwinden Sie auf der Stelle!“ Das war die Stimme des Pflegers, der Dirk vorhin was zu trinken gebracht hatte.
Irgendwas fiel auf Dirk.
Reflektorisch griff er danach und stellte fest, dass es ’ne Frau war. Kleine Hände auf seinen Armen. Locken, die auf seinem Hals kitzelten. Fast konnte er die Sommersprossen spüren auf dieser zarten Wange, die über sein Kinn strich. „Gwennie.“ Ihr Duft beruhigte alles in ihm. Die Schmerzen, die Verzweiflung, die Wut, alles.
„Verschwinden Sie endlich, sonst hole ich die Polizei!“, forderte der Pfleger, der ihr offenbar gefolgt war.
Dirk sagte: „Ist schon okay! Lassen Sie mich mit der Lady a llein!“
„Wie sie wollen, Mr. Statler.“ Dirk hörte, wi e der Typ die Tür aufmachte, rausging und die Tür wieder schloss.
„Oh, Dirk“, schluchzte Gwennie gegen seinen Hals. „Was haben sie dir angetan?“
Er konnte und wollte ihr nichts sagen. Schon weil er nicht wusste, ob sein Krankenzimmer ve rwanzt war. „Die Zeitungsfritzen wollten von mir wissen, ob nicht SURVIVAL was damit zu tun hat.“
Sie versteifte sich. „ Das kannst du doch nicht denken von mir! Du kannst doch nicht annehmen, dass ich so etwas tun würde!“
Er legte seine Arme um sie und wünschte sich, er würde sich nicht so gottverdammt müde fü hlen. Er brauchte seine ganze Kraft, um seine Hände daran zu hindern, schlaff runter zu fallen, und seine ganze Konzentration, um seine Worte einigermaßen hörbar rauszubringen. „Nein, Gwennie, das denke ich nicht.“
Ihre Finger tasteten über den Verband, mit dem man ihm seine Augen zugebunden hatte . „Was haben sie mit deinen Augen gemacht?“
„Das müssen die Ärzte erst noch rausfinden.“
„Warum bist du so schwach? Warum redest du so undeutlich?“
„Sie haben mich gedopt mit Narkosemitteln, Schmerzmitteln und solchem Zeug.“
Sie hauchte was Unverständliches, sicher Gälisches, und schmiegte sich an seine Schulter. Unter seinen Händen fühlte er ihr Zittern. Und ihr lautloses Weinen. Und auf einen Schlag konnte er das nicht mehr ertragen. Wie sie um ihn weinte, als wäre er schon tot. Wie sie ihn bedauerte als einen verfluchten blinden Krüppel. „Und jetzt verpiss dich, Gwennie!“
Er spürte, dass ihr Kopf hochruckte. „ Was?“
Was anderes fiel ihm siedendheiß ein. Er zog Gwennies Kopf an sich, bis ihr Ohr an seinem Mund lag, und flüsterte: „Hör zu und mach, was ich dir sage! Verschwinde und versteck dich weiter, damit A nicht auf die Idee kommt, dich für Teil zwei der Disziplinierungsmaßnahme gegen mich zu verwenden, so wie C und B damals! Kapiert? Und außerdem …“ Ohne dass er was dagegen tun konnte, fielen seine Hände lahm von Gwennie ab.
„Und außerdem?“ Ihr Tonfall hatte was Ängstliches.
Zu seiner eigenen Überraschung war er plötzlich wütend. „Und außerdem will ich dein Mitleid nicht. Also pack dein Scheiß-Mitleid ein, hau ab und lass dich hier nicht mehr blicken!“ So hart hatte er das gar nicht gemeint. Es war einfach rausgerutscht.
„Um deinen Stolz fürchtest du?“ Hörbar atmete sie tief ein und aus. „Dann kann ich dich beruhigen. Was ich für dich empfinde, ist kein Mitleid.“
„ Ach nein?“
Ihre Stimme klang jetzt fester. „ Nein! Ich habe mit dir ungefähr genauso viel Mitleid wie mit einem Kernkraftwerk, dem man die Uranbrennstäbe abmontiert hat.“
Das beruhigte ihn ein bisschen , er hakte aber trotzdem nach: „Und du hasst mich noch genauso wie vorher?“
Ihre Lippen waren auf seinem Mund, seiner Wange, seiner Schläfe, als sie flüsterte: „Ja, Statler, ich hasse dich noch genauso wie vorher.“
Er atmete erleichtert aus und schaffte es, seine Hand zu heben und mit dem Daumen über Gwennies tränenfeuchte Wange zu streichen. „Und warum heulst du dann die ganze Zeit?“
„Weil …“, sie löste sich von ihm, „… weil Billigimporte aus Neuseeland die irischen Schafwollpreise in den Keller treiben.“
Gegen seinen Willen grinste er. „Wenn deine SU RVIVAL-Typen rauskriegen, dass du um mich weinst, rammen die dich ungespitzt in den nächsten Restmüllbehälter.“
Plötzlich spürte er ihre Lippen an seine m Ohr, und sie flüsterte hinein: „Dafür wird dein Verbrecher-Alphabet bezahlen, Dirk, das verspreche ich dir! Ich werde A aufspüren und vernichten!“
Neuer Horror fiel wie ein Hammer auf ihn. „Verdammt, Gwennie!
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