Gwen (German Edition)
durch.
Nun wäre es vielleicht eine gute Idee, schlafen zu gehen. Das wäre viel besser, als die halbe Nacht auf zu bleiben, so wie in den letzten Tagen, und unnötig Strom für das elektrische Licht und den Fernseher zu verschwenden. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte, dass es umweltschädliche zwei Uhr nachts war.
Doch Gwen war nicht müde.
In Irland war jetzt strahlender Samstagvormittag. Vielleicht sollte sie Ian anrufen und ihn über seine Braut ausquetschen. Andererseits reichte auch bereits ihr gestriges Auslandsgespräch mit Tony, um Pat wegen der Telefonrechnung auf die Palme zu bringen.
Gwen schrak zusammen, als das Telefon klingelte.
War das etwa Gedankenübertragung? Um die Uhrzeit konnte es höchstens jemand aus Irland sein. Oder Cory. Daher meldete sie sich nicht mit dem Üblichen: „Survival-Büro USA“, sondern mit einem einfachen „Hallo.“
„Ist da Gwen O’C onnor?“ Eine Männerstimme war am anderen Ende, eine fremde Männerstimme, eindringlich heiser.
„Ja?“ Gwen konnte fühlen, wie sich all ihre Muskeln der Reihe nach anspannten.
„Kommen Sie schnell! Es geht um Leben und Tod!“ Es war kaum mehr als ein K euchen, fast wie bei einem obszönen Anrufer.
„Warum? Was ist los?“ Automatisch übernahm Gwen den gehetzten Sprechrhythmus des Anrufers. „Wer sind Sie?“
„Mein Name tut nichts zur Sache“, erwiderte der Fremde. „Ich arbeite in der Klinik und will mit den Machenschaften dort nichts zu tun haben. Ich muss gleich auflegen, sonst entdecken sie mich und machen dasselbe mit mir wie mit Mr. Sta tler.“
Gwens Herz begann zu rasen. „ Wer macht was mit ihm?“
„Sie wollen ihn töten. Noch heute Nacht. Wenn Sie nicht sofort kommen und ihn holen, stirbt er. Trauen Sie keinem Arzt und auch sonst niemandem vom Personal. Rufen Sie auch nicht die Pol izei! Jeder könnte da mit drin stecken. Holen Sie ihn sofort, sonst stirbt er! Ich habe den linken hinteren Seiteneingang aufgesperrt. Da können Sie ungehindert rein und wieder raus. Ich stelle einen Rollstuhl vor sein Zimmer, denn er ist zu betäubt, um selber zu gehen. Machen Sie schnell!“
„Aber warum …?“ Ihre Worte versiegten, denn die Leitung war tot.
Gwen spran g auf. Das war unverkennbar die Handschrift des Alphabets. Dirks Leben war in Gefahr, das spürte sie. Und wenn es eine Falle sein sollte, dann musste sie das eben riskieren.
Einen starken Mann - d as brauchte sie, um Dirk aus der Klinik zu schaffen. Norman.
Sie riss die Tür zu Pats Schlafzimm er auf und sah ihre Freundin quer über ihrem Bett liegen. Allein. Oh, verdammt, Norman und Mike waren ja über das Wochenende nach Jacksonville gefahren waren, um auf den dort stattfindenden Heavy Metal Weeks einen Bassisten für die Band zu finden. Dann musste eben Pat genügen!
Gwen packte die Schlafende und rüttelte sie. „Wach auf! Sie töten Dirk Statler!“
Zögerlich öffnete Pat ein Auge. „ Hm?“
„ Sie töten Dirk Statler! “
„Oh, gut!“ Behaglich kuschelte sich Pat zurück in ihre Kissen.
Gwen rüttelte weiter an Pats Schulter. „Wach auf! Sonst bringen sie ihn um! Bitte, wach auf! “
„Wach du erst mal selber auf!“, knurrte Pat ungehalten. „Das ist wieder einer deiner Alpträume. B eruhige dich erst mal!“
„Kein Alptraum! Und keine Zeit für Erklärungen! Komm jetzt endlich!“ Die Angst verlieh Gwen Unerbittlichkeit und Kraft. Sie zerrte ihre Freundin aus dem Bett und dann weiter zur Wohnungstür. Sie griff sich Pats Schlüsselbund und zog dessen Besitzerin nach draußen.
Venus schoss an ihnen vorbei und nahm die Verfo lgung der Nachbarskatze auf, die auf einem Gartenpfosten saß.
Pats Dienstwagen war von vorn bis hinten mit riesigen Blechcontainern und Medikamentenschachteln voll gestopft. Daher wählte Gwen Pats Privatwagen, der davor am Straßenrand geparkt war, schob ihre noch immer schlaftrunkene Mitbewohnerin auf den Beifahrersitz und setzte sich hinter das Steuer. Wie der Teufel raste Gwen durch das ruhende Catnecktown.
„Sag mal, spinnst du?“ Pat schien nun doch langsam aufzuwachen. „Warum um alles in der Welt schleppst du mich mitten in der Nacht aus dem Haus - halt, das ist eine Einbahnstraße! Wenn du so weitermachst, fährst du mein Auto noch zu Schrott! Was soll das alles eigentlich?“
Die Frage war gerechtfertigt. Durfte sie Pat da überhaupt h ineinziehen? Aber einen betäubten Dirk konnte Gwen unmöglich allein vom Fleck bewegen. Doch sie würde Pat nur so viel von der Wahrheit preisgeben wie
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