Gwen (German Edition)
„Das ist ja wohl das Mindeste .“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ Gwen rammte ihre Ka ffeetasse auf den Tisch.
„Was hast du dagegen, Gwennie?“
Mit gerunzelter Stirn beäugte die Medizinerin das fast leere Marmeladenglas. „Das möchte ich auch gern wissen.“
„Und wie stellst du dir das vor , Pat?“, brauste Gwen auf. „Willst du mit einem Scheck von ihm in die Bank marschieren und am nächsten Tag in der Zeitung lesen: Survival kassiert Statler-Dollars ? Oder auch wenn die Überweisung nur diskret von einem Konto aufs andere erfolgen würde, glaubst du nicht, dass er …“, ihr Zeigefinger stach in Dirk Statlers Richtung, „… nicht dafür sorgen wird, dass das in die Zeitung, oder besser noch ins Fernsehen kommt?“
„Ich kann euch die Kohle auch in bar beschaffen“, schlug er vor.
Gwen stieß die Luft zusammen mit ihrem Unwillen aus. „Damit du die Geldübergabe von einem deiner Privatschnüffler filmen lassen und gleich ins Fernsehen bringen kannst?“
S eine Lippen verzogen sich spöttisch. „So viel Hinterhältigkeit traust du mir zu, Gwennie?“
„Bei allem , was du Pat und mir angetan hast, wäre das noch eine deiner harmloseren Machenschaften.“
„Also kein Unkostenbeitrag !“, seufzte Pat.
„Wolltest du nicht Pfannk uchen essen?“ Gwen schob ihr den gefüllten Teller mit den Omelettes zu.
„ Kalt schmecken sie nicht“, erwiderte Pat und schmierte weiter Toasts für Dirk Statler.
An den Schweißtropfen, die er sich von der Stirn wischte, und an der Art, wie er matt auf dem Stuhl hing, konnte Gwen erkennen, wie sehr ihn das gemeinsame Frühstück erschöpft hatte. „Willst du dich nicht wieder hinlegen, Dirk?“, fragte sie und ärgerte sich gleichzeitig über die entlarvende Besorgnis, die hörbar in ihrer Stimme mitschwang.
Seine Antwort war kaum mehr als ein Flüstern: „G ute Idee.“
Als er aufstand, wollte sie ihn stützen, doch er schüttelte ihre Hand ab und tastete sich zum Sofa durch, wo er sich niederlegte. Gwen deckte ihn zu.
Das Telefon klingelte , und Pat ging hin. „Für dich!“ Sie reichte Gwen den Hörer.
„Hey, wo bleibst du denn?“ Corys Ruf klang wie eine Anklage durch die Leitung. „Wir hatten doch ausgemacht: nach dem Au fstehen!“
„W ie bitte?“ Überrumpelt durchsuchte Gwen ihr Gedächtnis nach Informationen, die sie mit Corys Worten in Einklang bringen konnte.
„Oder hast du unsere Einweihungsfeier vergessen?“, half Cory glücklicherweise nach.
Schlagartig fiel es Gwen wieder ein. „Tut mir Leid, aber ich musste noch etwas erledigen.“
„ Und bring Pat mit, wenn sie Zeit hat!“, meinte Cory. „Also beweg deinen Arsch rüber, wenn du noch was von dem Kuchen haben willst!“ Damit legte sie auf.
Fahrig fuhr sich Gwen durch die Haare. „Ich muss zur Einweihungsfeier von Corys neuer Wohnung. Du bist auch eingeladen, Pat. Und wir haben noch nicht einmal ein Geschenk! Und wir können Dirk Statler nicht allein lassen.“
„Ich bin kein gottverdammter Invalide, der einen Dauerbabysitter braucht“, brummte ebenjener misslaunig vom Sofa her. Dann fügte er etwas sanfter hinzu: „Keine Sorge, Ladies, ihr könnt mich schon allein lassen. Auch blind finde ich mich ganz gut in eurer Wohnung zurecht.“
„ Davon bin ich überzeugt“, entgegnete Pat. „Aber ich bleibe lieber hier, denn die Lieferung der Druckerei muss heute noch kommen. Außerdem muss ich bis Montag ein Zuchtwertgutachten fertig haben. Entschuldige mich bei Cory!“
Unterdessen hatte sich Gwen a n die Duftkerze erinnert, die David ihr einmal geschenkt hatte und die praktischerweise noch in Klarsichtfolie verpackt auf ihrer Kommode stand. Sie holte sie und machte sich auf den Weg.
Während Kiss, in einem dreiteiligen Nadelstreifenkostüm und mit platinblonder Haarpracht, über das breite Repertoire seiner oralen Techniken referierte, die von diversen Stammkunden immer wieder gerne nachgefragt wurden, trugen die anderen hin und wieder sachkundige Bemerkungen bei. Wie bei einer Chemiker-Tagung, kam Gwen unvermittelt in den Sinn.
Obgleich die gänzlich unfaire Cellulitisfreiheit von Danas unverhüllten Oberschenkeln Gwens Neid erregte, spürte sie, wie sich in dieser munter plappernden Runde der Prostituierten ein Großteil ihrer Anspannung verflüchtigte. Den Kuchen, den Michelle ihr in die Hand gedrückt hatte, konnte sie jedoch nur mühsam herunterwürgen. Denn sie hatte sich noch immer nicht für die couragierten Farbtöne erwärmen
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