Gwen (German Edition)
alleine lassen. Tante Eileen und Colin würden sich freuen und Onkel Bob auch und ...“
„W er soll dann unseren Gast versorgen?“, fiel ihre Mutter ihr ins Wort. „Sei doch fair! Dein Vater und ich wollen es einfach ausnützen, dass du mal da bist und dich um alles kümmern kannst. Ich war schon so lange nicht mehr in Dublin bummeln. Soll ich wirklich daheim bleiben, nur weil du unseren Bed&Breakfast-Gast nicht magst? Bitte, Mädchen!“
Natürlich konnte Gwen nicht Nein sagen, wenn ihre Mutter derart gekonnt mit Schuldgefühlen jonglierte. Irgendwie würde sie das schon deichseln! Wenn sie früh aus dem Haus ging, so um sieben Uhr oder besser um sechs, und Statler vorher das Frühstück hinstellte - der Kaffee würde schon warm bleiben in der Thermoskanne - konnte sie es bestimmt vermeiden, ihn zu Gesicht zu bekommen. Oder besser noch: Sie würde bei Ian übernachten und nur schnell im Morgengrauen heimkommen, um Statlers Frühstück zu richten und anschließend sofort wieder zu verschwinden. Ja, so würde sie es machen. Dann konnte keiner sich beschweren. Außer dass es eben hart gekochte Eier geben würde statt dem frischen Rührei mit Speck.
„Aber dass mir keine Klagen kommen von Mr. Statler !“, fügte ihre Mutter drohend hinzu.
Als der verdammte Wecker um vier schellte - vier Uhr morgens, oh fuck! - spielte Dirk mit dem Gedanken, das Ganze zu vergessen. Ein Teil von ihm schlief noch, und der andere Teil argumentierte überzeugend, dass es sowieso Schwachsinn war, Gwen quer durch Irland zu verfolgen, nur um rauszufinden, was sie mit diesem Tony zu schaffen hatte.
T ONY!
Schon war Dirk hellwach, zog sich an und schlich sich nach draußen auf den Gang. Alles war still. Aber bestimmt würde Gwen auch gleich aufstehen, also machte er, dass er kurz aufs Klo und dann so lautlos wie möglich aus dem Haus kam.
Der O’Connor-Hund kam angeschossen, und bevor der ihn durch sein Begrüßungsgewinsel verraten konnte, beugte Dirk sich zu ihm runter, streichelte ihn und redete leise auf ihn ein, damit er Ruhe gab.
In circa zweihundert Meter Entfernung stand der Leihwagen hinter einem Steinhaufen. Außer Sichtweite des O’Connor-Hauses. Ein alter Ford Taunus - was Besseres hatte Dirk nicht auftreiben können. Noch immer ziemlich groggy vor Müdigkeit ließ er sich hinters Lenkrad fallen und sagte sich, was für ein verdammter Idiot er doch war, das alles wegen ‘ner Frau auf sich zu nehmen. Er griff ins Handschuhfach, wo er gestern Cola-Dosen und Sandwiches reingepackt hatte, und öffnete eine Dose. Gwen musste hier vorbeikommen, also wartete er. So regungslos im Auto zu hocken war recht kühl um diese Tageszeit. Natürlich hatte die Scheißkarre keine Standheizung.
Hatte Gwen verschlafen? Oder hatte sie sich im Bett noch mal rumgedreht und beschlossen, erst so gegen neun gemütlich loszufahren wie jeder normale Mensch? Sie sollte es bloß wagen, ihn zu versetzen, das kleine Miststück!
Aber dann hörte er doch das Geräusch eines Motors und sah den Lichtschein altersschwacher Autoscheinwerfer in der Dämmerung. Gut hundert Meter weiter holperte der klapprige Pick-up der O’Connors vorbei. Dirk wartete, bis er ihn gerade noch erkennen konnte, dann startete er den Motor.
Er fuhr ohne Licht, damit Gwen ihn nicht bemerkte, und hielt so weit Abstand, dass er den Klei nlaster gerade noch erkennen konnte. Die Straße war einspurig. Alle paarhundert Meter gab es Buchten, in die man bei Gegenverkehr ausweichen konnte. Nicht, dass es so was wie Gegenverkehr gab. Er und Gwen waren die einzigen Bekloppten, die zu der Zeit unterwegs waren.
Der Ford holperte vorbei an Schafen, Steinmauern, Ruinen und überwucherten irischen Stei nkreuzen. Im Licht der aufgehenden Sonne wirkte das alles fast schon kitschig, so vom Autofenster aus. Auf dem Bike dagegen wär’s ein geiler Ritt gewesen.
Gwen fuhr, wie er es erwartet hatte, vor Londonderry über die Grenze. Di rk folgte in einem Abstand von gut dreihundert Metern und versuchte, bei den Zollbeamten einen touristenmäßigen Eindruck zu machen. Der linke von denen schulterte gelangweilt seine MP und winkte Dirk lässig durch.
Die Straßen wurden breiter und besser. Sogar zwe ispurig, was Dirk mittlerweile schon fast wie ein Highway vorkam. Er folgte Gwen durch Londonderry und viele kleine Provinznester quer durch Nordirland bis nach Belfast. Dirk hatte sich die Strecke schon gestern Nacht auf der Landkarte angesehen, und Gwen nahm die kürzeste Route. Und sie fuhr
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